Cäsars Druide
linken Seite leicht zurückgedrängt wurden, stießen sie auf der rechten Seite tiefer in die römischen Reihen vor. Dies bemerkte der junge Legat Publius Crassus, der tüchtige Sohn des milliardenschweren Triumvirn. Er war Anführer der Reiterei und hatte strikten Befehl, sich vorläufig nicht an der Schlacht zu beteiligen. Doch Publius Crassus handelte eigenmächtig; er schickte die dritte Schlachtreihe, die Cäsar als Reserve zurückbehalten hatte, in den Kampf und griff gleichzeitig mit seiner Reiterei auf der rechten Seite an. Die Germanen waren über diesen unerwarteten Angriff derart überrascht, daß sie auf der rechten Seite zurückwichen, bis sie sich schließlich ganz vom Gegner abwendeten und Hals über Kopf die Flucht ergriffen. Die Frauen auf den Karren entblößten ihre Brüste und schrien ihren Männern zu, sie sollten weiterkämpfen, damit sie nicht von römischen Zwergen geschändet würden. Die Wirkung blieb aus. Die Panik griff wie ein Waldbrand um sich. Immer mehr Karren wurden aus der Wagenburg herausgelöst und eilig abgezogen. Während sich einzelne Verbände ebenso todesmutig wie kopflos den diszipliniert vorrückenden Legionen entgegenwarfen, hatten andere bereits die Flucht ergriffen. Ich flehte zu den Göttern, unser Gefangenenwagen möge noch lange eingekeilt bleiben, doch es schien, als hätten meine Hilferufe Gegenteiliges bewirkt. Während andere Wagen sich nicht von der Stelle bewegten oder wegen Achsbrüchen steckenblieben, ratterte unser Karren wenig später inmitten der flüchtenden Germanen Richtung Rhenus. Zwei bis drei Tage würde die Flucht dauern. Der Fluß war noch weit entfernt. Aber die römische Kavallerie setzte den Germanen nach. Es ging nicht darum, eine Schlacht zu gewinnen. Cäsar hatte die Vernichtung der Sueben gefordert. Sie sollten nie mehr in der Lage sein, über den Fluß zu kommen. Der Rhenus sollte fortan die Grenze zur zivilisierten Welt sein. Die gesamte Kavallerie beteiligte sich an der Verfolgung der Germanen. Von hinten schlitzte man den Fliehenden den Rücken auf. Man machte keinen Unterschied zwischen Kriegern, Frauen und Kindern.
In unserem Wagen versuchten mittlerweile einige ihre Ketten aus den Holzplanken zu reißen, doch germanische Reiter, die an uns vorbeipreschten, schlugen sie mit Schwerthieben nieder. Ich legte mich flach auf den Wagenboden und preßte mein Gesicht aufs Holz, als wollte ich die Beschaffenheit der Eisennägel analysieren, die die Planken mit den Querbalken verbanden. Ich konnte nur hoffen, daß unser Wagen bald auseinanderbrechen oder sich auf den holprigen Wegen überschlagen würde. Doch plötzlich hörten wir ganz in der Nähe die Angriffssignale der römischen Reiterei. Ich richtete mich etwas auf und sah, daß die germanischen Reiter, die noch auf gleicher Höhe mit uns waren, reihenweise von den Pferden fielen. Gleich wurden wir von römischen und häduerischen Reitern überholt. Darunter erkannte ich auch Cäsar. Er trug seinen wallenden roten Feldherrnmantel. Jetzt sah er Procillus. Cäsar stürmte auf unseren Wagen zu. Der Lenker brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit und wurde von den nachrückenden Reitern niedergemacht. Cäsar riß die Zügel der Pferde an sich und brachte den Wagen zum Stehen. Er wandte sich an uns, und man sah, daß es ihm eine große Genugtuung war, uns persönlich befreit zu haben. Er gab einem Reiterführer Befehl, uns die Ketten abzunehmen und ins große Lager zurückzubringen. Ein häduerischer Reiter brachte uns herrenlose Pferde. Stumm trabten wir am Rande des Schlachtfeldes ins Lager zurück. Überall Leichen und das Stöhnen der Sterbenden. Doch was sich hier abgespielt hatte, war nicht vergleichbar mit Bibracte. Hier hatte man selbst den Tieren und Kindern die Bäuche aufgeschlitzt, ja, es lagen sogar Hunde herum, denen man alle vier Pfoten abgehackt hatte.
Ich war glücklich, als ich Wanda endlich wieder in meine Arme schließen konnte. Ich schämte mich, daß ich an den Göttern gezweifelt hatte.
Am nächsten Tag ritten Wanda und ich hinaus und wuschen uns an einem Bach. Bei einer Quelle opferte ich den Göttern die Silberdenare, die ich für die Erstellung der Testamente erhalten hatte, und versuchte den heiligen Stimmen zu lauschen. Wo war Kretos? Würde ich jemals Massilia sehen? Würde ich jemals in einem massilianischen Handelshaus residieren und mich von nubischen Sklavinnen verwöhnen lassen, so, wie ich es als Junge auf unserem raurikischen Hof immer geträumt hatte?
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