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Cäsars Druide

Titel: Cäsars Druide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cueni Claude
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Oder hatte ich hier eine höhere, eine göttliche Aufgabe zu erfüllen? Lag es an mir, Cäsars Schicksal zu besiegeln? Aber ich fühlte keinen Haß mehr gegen diesen Menschen, den sich jeder keltische Stamm zum Freund machen wollte, um über seinen Nachbarn herzufallen. Hatte er mir nicht zu einem gesellschaftlichen Status verholfen, der mir in der keltischen Gemeinschaft stets verwehrt geblieben wäre? Hatte er mir heute nicht gar das Leben gerettet? Hatte er sich nicht sogar persönlich darum bemüht? Meine Gefühle ihm gegenüber waren wechselhaft und zwiespältig. In gewissem Sinne war ich vielleicht sogar schon sein Komplize geworden. Jede Aufmerksamkeit, die er mir schenkte, erfüllte mich mit Stolz. Ich ertappte mich auch immer öfter beim Versuch, ihm zu helfen, ihm beizustehen, ihm meine Treue zu zeigen, nur um seine Anerkennung zu finden. An anderen Tagen wiederum war er mir unheimlich, und ich freute mich klammheimlich über Ungereimtheiten in seinen Rechtfertigungsberichten, weil ich hoffte, daß die Nachwelt ihn deswegen eines Tages entlarven würde. Aber diese Tage wurden immer seltener. Das Schicksal hatte uns immer enger miteinander verknüpft. Hätte Cäsar gegen Ariovist verloren, ich hätte vermutlich Wanda nie mehr gesehen. Da war ein merkwürdiger Zwiespalt in mir. Vielleicht war es auch der Zwiespalt der Götter. Ich war von den Göttern begünstigt. Aber Cäsar war es auch.
    Am nächsten Tag zog ich mich in die Finsternis der Wälder zurück. Verdorrtes Geäst bedeckte den trockenen Boden. Bei jedem Schritt zerbrachen trockene Zweige unter meinen Füßen. Kein Lichtstrahl drang zwischen den dichten Baumkronen hindurch. Ich spürte einen trockenen Luftzug. Es waren Winde aus der Anderswelt. Ich wußte, daß ich nicht mehr allein war. Obwohl alles um mich herum seit Jahrhunderten tot schien. Ich war auf der Suche nach Kräutern und Wurzeln. Doch plötzlich hörte ich Stimmen, die nicht zur Anderswelt gehörten. Es waren keine heiligen Stimmen, denn sie klangen laut, respektlos und rauh. Langsam ging ich weiter, den Stimmen entgegen. Ich hielt mich dabei immer wieder an Ästen und Sträuchern fest und versuchte die Füße so hoch wie möglich zu heben, damit ich nicht ständig über Wurzeln und Gestrüpp stolperte. Schließlich erreichte ich eine felsige Anhöhe, von der aus ich eine enge Schlucht überblicken konnte. In dieser Schlucht floß ein Bach. Und in diesem Bach standen römische Legionäre. Sie fischten all die verbogenen Schwerter und goldenen Torques heraus, die bereits unsere Ahnen an diesem Ort den Göttern geopfert hatten. Ich erschauerte bei diesem Anblick. Wie konnte es jemand wagen, die Götter derart herauszufordern?
    Am nächsten Tag ließ mich Cäsar in sein Zelt kommen. Er hatte Kopfschmerzen.
    »Was tut ihr Druiden, wenn der Kopf schmerzt?«
    Cäsar lag ausgestreckt auf der Liege und hatte einen Arm übers Gesicht gelegt.
    »Kommen die Schmerzen vom Wein, empfehlen wir, den Händler zu wechseln. Kommen die Schmerzen von den warmen Winden, empfehlen wir einen Becher verdünnten Rotweins, kommen die Schmerzen jedoch von geplünderten keltischen Heiligtümern …«
    Cäsar richtete sich auf, hielt in der Bewegung inne und verzog schmerzhaft das Gesicht.
    »Was willst du damit sagen, Druide?«
    »Du forderst die Götter heraus, Cäsar!«
    »Ich stehe unter dem Schutz der unsterblichen Götter! Mit Glück habe ich die Helvetier besiegt, mit Glück habe ich Ariovist besiegt, und mit demselben Glück werde ich ganz Gallien unterwerfen. Ich brauche den Schutz deiner Götter nicht, Druide! Um Gallien zu erobern, brauche ich Legionäre! Und Legionäre brauchen Geld, sehr viel Geld! Und all meinen Feinden in Rom werde ich mit Keltengold das Maul stopfen und ihnen jedes Jahr mehr Sklaven schicken, als sie in den letzten zehn Jahren gesehen haben! Setz dich, Druide!«
    Ich setzte mich Cäsar gegenüber auf einen Stuhl. Cäsar saß jetzt auf seiner Liege und stützte seinen Kopf mit beiden Händen. Er hatte die Augen geschlossen.
    »Was ist es, Druide?« stöhnte Cäsar. »Gibt es denn kein Mittel dagegen?«
    »Ich kann es versuchen«, sagte ich nach einer Weile. Bei diesen Worten zitterte ich am ganzen Körper. Die Anspannung, die die ganze Zeit über meine Muskeln verhärtet hatte, ließ nach.
    »Versuch es, Druide«, murmelte Cäsar und streckte sich wieder auf der Liege aus.
    Ich ging nach draußen und befahl den herumstehenden Prätorianern, Wasser zu kochen. In der Zwischenzeit

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