Cäsars Druide
gesinnt waren. Jede andere Armee wäre vor ihnen zurückgewichen. Doch ihr wart standhaft. Ihr habt die Helvetier besiegt und in ihre Heimat zurückgeschickt, ihr habt die Germanen besiegt und über den Rhenus zurückgetrieben, ihr habt die Belger besiegt und sie zu Verbündeten gemacht, und soeben melden die Eilboten des Legaten Publius Crassus, daß er mit der siebten Legion die wilden Stämme an der Küste vernichtend geschlagen hat. Auch die Veneter und die anderen wilden Seevölker sind besiegt! Sie haben sich Rom unterworfen! Gallia est pacata!«
Die Legionäre johlten und schlugen mit den Gladien auf ihre Schilde.
»Soldaten, wir haben in Gallien reiche Beute gemacht. Tonnen von Gold und Silber, Waffen und Schmuck, Zehntausende von Sklaven. Doch all diese Schätze und Reichtümer habe ich nicht für mich erkämpft, sondern für Rom. Nichts davon beanspruche ich für mich. Die Gunst der Götter ist mir Dank genug. Ich habe eure Centurionen deshalb angewiesen, die Hälfte davon unter euch zu verteilen. Denn ihr habt mit eurem Mut, eurer Tapferkeit und mit eurem Blut die wilden Barbaren unterworfen. Zum Wohle Roms! Nicht der Senat hat Gallien befriedet, sondern ihr, Cäsars Soldaten!«
Jetzt kannte die Begeisterung der Legionäre keine Grenzen mehr. Sie brüllten nicht nur »Ave Cäsar!«, sondern auch »Ave Imperator!«. Letzteres bedeutete, daß sie für ihren siegreichen Feldherrn in Rom einen Triumphzug forderten! Ein Triumphzug, das war die Krönung eines siegreichen Feldzuges. Denn jede Tat, so groß sie auch sein mochte, verblaßte, wurde sie nicht öffentlich erwähnt, gewürdigt und gefeiert.
Als ich mitten in der Nacht in Cäsars Zelt geführt wurde, lag er in wilden Zuckungen auf der feuchten Erde und wand sich wie ein Wurm in Essigwasser. Weißer Schaum floß aus seinem Mund. Zwischen den Zähnen hatte er ein Stück Holz, die Vitis eines Centurios. Seine dunklen Augen waren weit aufgerissen. Sie kämpften, flehten um Hilfe, schrien ihr Leid zu den Göttern hinauf. Aber kein Wort kam über seine Lippen, kein Laut wollte diesem verkrampften Körper entweichen. Es war, als hätten die Götter ihn zu ihrem Spielzeug gemacht.
Ich hatte die Lederbeutel, in denen ich die getrockneten Kräuter aufbewahrte, mitgenommen, weil man mir gesagt hatte, Cäsar liege im Sterben. Aber er lag nicht im Sterben. Ich verlangte sofort nach Wasser und Wein und begann mit der raschen Zubereitung einer Tinktur. Ich fügte ein zerbröseltes Mistelblatt hinzu, nicht zuviel, denn die Mistel kann töten, wie sie den Druiden Fumix getötet hatte. Die Mistel kann aber auch heilen. Und andererseits ist sie nahezu wirkungslos, wenn schäumende Wellen sich im Körper eines Menschen bilden. Sie unterstützt jedoch die anderen Kräuter, die den Wind aus den Segeln des Schiffes nehmen, das die Anderswelt anpeilt.
Wenig später flößte ich ihm den dickflüssigen Sud ein. Natürlich hätte ich Cäsar töten können. Es wäre ein leichtes gewesen. Ich glaube nicht einmal, daß man mich dafür ans Kreuz geschlagen hätte. Der Medicus kannte die Kräfte des Waldes nicht. Er wußte, daß schäumende Menschen von den Göttern zu sich gerufen werden. Nein, ich glaube, man hätte mich nicht mal verdächtigt. Aber ich wollte Cäsar nicht töten. Ich wollte ihn heilen, ich wollte ihn retten. So wie auch er mich in der Schlacht gegen Ariovist gerettet hatte. Für uns Kelten ist es Pflicht, das eine mit dem andern abzugelten. Aber nicht nur deswegen rettete ich Cäsar. Ich half ihm, weil ich sein Druide war.
Langsam erschlafften seine Muskeln, die Lider senkten sich müde.
»Laßt mich mit dem Druiden allein«, murmelte Cäsar. Alle atmeten auf, freudig und dankbar, und ließen mich mit Cäsar allein.
»Was ist es, Druide?«
Ich schwieg.
»Werde ich das noch öfter haben?«
Ich schwieg.
»Sprich, Druide, was passiert, wenn ich das noch öfter habe?«
»Dann wird man dieses Leiden nach dir benennen, Cäsar.«
Cäsar öffnete die Augen und grinste. Vorsichtig griff er nach meinem Arm und hielt ihn fest.
»Es sind die Götter, nicht wahr?«
»Ja«, entgegnete ich, »du bist von den Göttern begünstigt. Du glaubst, als Pontifex maximus das Recht zu haben, ihre Tempel und Heiligtümer zu plündern. Aber so wie du in Rom Freunde und Feinde hast, hast du auch unter den Göttern Freunde und Feinde. Nimm dich deshalb in acht, Cäsar. Was du getan hast, würde kein Kelte wagen. Die heiligen Weiher, in denen wir unser Gold versenkt haben, sind
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