Cäsars Druide
möglich zu ordnen und zu festigen. Selbst die pünktliche Bezahlung der Tribute überwachte er persönlich. Jeder im Lager rätselte, woher Cäsar die Kraft, diesen unerbittlichen Willen hatte. Er gönnte sich nur noch wenige Stunden Schlaf. Auf dem Marsch Richtung Norden ins Land der Eburonen marschierte er mit seinen Soldaten und teilte ihre karge Nahrung. Keine körperliche Strapaze war ihm zuviel. Die Mahnungen seiner Offiziere, mehr Rücksicht auf seine eher fragile Gesundheit zu nehmen, ignorierte er. Mit der Zeit machten sich selbst seine Legionäre Sorgen um ihn. Cäsar hatte weder den Körper noch das Training, um diese beschwerlichen Märsche durchzuhalten. Aber er hielt durch. Zu seinen Legionären entwickelte er auf dem Marsch ein beinahe kameradschaftliches Verhältnis. Sie vergötterten ihn. Er war einer von ihnen. Und doch war er der große Julier, der von den Göttern abstammte. Ein Mensch, der zu ihnen heruntergestiegen war, um sie von Sieg zu Sieg zu führen. Cäsar war ein anderer geworden. Er hatte Gallien unterworfen, aber Gallien hatte ihn verändert.
Als unsere Legionen nur noch einige Tagesmärsche von den beiden germanischen Stämmen entfernt waren, sandten sie Gesandte zu Cäsar. Ich hielt das Gespräch noch am selben Tage fest:
»Als er von dort nur noch wenige Tagesmärsche entfernt war, kamen Gesandte von ihnen, welche folgende Erklärung abgaben: Die Germanen wollten keineswegs den Krieg gegen das römische Volk beginnen; würden sie aber angegriffen, so seien sie zum Kampf bereit. Denn die Germanen hätten von ihren Vorfahren die Sitte übernommen, jedem, der sie mit Krieg überzöge, Widerstand zu leisten, aber niemals zu Bitten Zuflucht zu nehmen. Nur soviel wollten sie erklären, sie seien gegen ihren Willen gekommen, da man sie aus ihrer Heimat vertrieben habe; wollten die Römer in gütlichem Einvernehmen mit ihnen stehen, so könnten sie denselben nützliche Freunde werden. Sie möchten ihnen in diesem Falle Ländereien anweisen oder sie im Besitz derjenigen lassen, die sie durch Waffengewalt erobert hätten. Sie stünden nur den Sueben nach, denen nicht einmal die unsterblichen Götter gewachsen seien. Sonst gäbe es auf Erden niemanden, den sie nicht überwinden könnten.«
Cäsar antwortete kühl, daß von Freundschaft zwischen ihm und ihnen keine Rede sein könne, solange sie in Gallien blieben. Er sprach nicht mehr von Rom. Er sprach von sich. Cäsar sagte, sie könnten nicht einfach fremdes Gebiet beanspruchen, weil sie ihr eigenes Gebiet nicht hatten verteidigen können. Im übrigen gebe es im übervölkerten Gallien längst kein Land mehr, das man irgend jemandem zuweisen könne, ohne die Rechte eines andern zu verletzen. Cäsar stellte ihnen jedoch in Aussicht, sich im Gebiet der Ubier, die auf der gegenüberliegenden Rheinseite lebten, ansiedeln zu dürfen. Da zur Zeit Adlige der Ubier im Lager waren, sollte in den nächsten Tagen darüber verhandelt werden. Die Bitte um einen Waffenstillstand lehnte Cäsar jedoch ab.
»Wieso gewährst du ihnen keinen Waffenstillstand?« fragte Labienus, als die Gesandten gegangen und sich der Kriegsrat zusammengesetzt hatte.
»Sie wollen nicht Frieden, sondern Aufschub. Der größte Teil ihrer Reiterei ist zum Plündern ausgeritten. Sie werden in drei Tagen zurückerwartet. Deshalb wollen die Usipeter einen Waffenstillstand. Sie wollen Zeit gewinnen.«
Vermutlich dachten wir alle an die Tage in Genava, als Cäsar die Helvetier auf später vertröstet hatte, um Truppen heranführen zu können.
»Wieso führen wir nicht Krieg gegen die Sueben? Es sind immer wieder die Sueben, die diese Völkerwanderungen auslösen«, sagte Crassus, der dank seiner Erfolge auf dem Schlachtfeld mittlerweile großes Ansehen genoß.
»Der Rhenus soll die natürliche Grenze sein, die im Osten das römische Reich von der barbarischen Wildnis trennt. Wenn ich den Rhenus überschreite«, sagte Cäsar und schaute mich dabei schmunzelnd an, »dann muß ich, wie ein keltischer Druide mir einst prophezeite, bis ans Ende der Welt. Bis Rom an Rom grenzt.«
»Was hast du vor, Cäsar?« hakte Labienus nach. »Willst du die Usipeter tatsächlich im Gebiet der Ubier ansiedeln? Sie werden früher oder später wieder über den Rhenus kommen und gallische Stämme in Aufruhr versetzen.«
»Laßt uns weitermarschieren und die Berichte der Kundschafter abwarten«, antwortete Cäsar, und dieses geheimnisvolle Lächeln, das mir bereits bei seinem Einmarsch in Genava
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