Cäsars Druide
weil sie eine römische Delegation festgesetzt hatten? Der Widerspruch störte Cäsar nicht im geringsten. Wieso sollte sich ein Gott an die Gesetze der Menschen halten?
Während sich die germanischen Fürsten und Ältesten widerstandslos abführen ließen, erschallten im ganzen Lager die Trompetensignale. Leichtbewaffnete Bogenschützen und Schleuderer eilten auf die Porta Praetoria und stellten sich in Marschaufstellung auf. Auf der Via Quintana sammelten sich die Legionäre unter ihren Feldzeichen, während die Sklaven eilig die Pferde sattelten.
Im Lager herrschte einige Verwirrung. Manche glaubten, ein germanischer Angriff stünde unmittelbar bevor und Cäsar versuche einen Ausfall. Doch Cäsar wollte die Gunst der Stunde nutzen.
In einem kurzen Eilmarsch erreichte er das führerlose Lager der Usipeter und Tencterer. Sie waren auf einen Angriff in keiner Weise vorbereitet. Schließlich weilten alle ihre Anführer zur Beratung in Cäsars Lager. Entsprechend groß war die Überraschung und Verwirrung, als die römischen Legionäre plötzlich ihr Lager stürmten und alles niedermachten, was sich bewegte. Die Frauen, Kinder und Alten ergriffen sofort die Flucht. Die Centurionen brüllten, daß keine Gefangenen gemacht werden sollten. Die Germanen sollten nicht besiegt und vertrieben werden, nein, die Germanen sollten ausgerottet werden.
Von allen Seiten wurde das Lager bestürmt. Kein Usipeter und kein Tencterer hatte auch nur den Hauch einer Chance. Alle wurden niedergemetzelt und abgeschlachtet. In heilloser Verwirrung rannten sie zwischen den Legionären herum, bis ihnen ein Hieb den Kopf spaltete oder ein Pilum den Brustkorb durchbohrte. Im Lager überlebte kein einziger Germane diesen Alptraum. Einigen war die Flucht gelungen, vor allem Frauen und Kindern, aber auch sie sollten nicht verschont bleiben. Die Centurionen gaben Befehl, den Fliehenden nachzusetzen und sie niederzumachen. Es war eine grausame Abschlachterei. Das war Völkermord! Mit gezielter Brutalität wurden dreihunderttausend Germanen ermordet.
Ich denke, das muß sein Plan gewesen sein, als er Labienus' Frage, wie er das Problem der immer wieder über den Rhenus kommenden Germanen zu lösen gedenke, mit einem Lächeln beantwortete.
Die Stimmung unter den Legionären war eher zwiespältig. Die einen freuten sich, daß die Schlacht gegen die gefürchteten Germanen vorbei war, daß man so leicht und beinahe ohne eigene Verluste gesiegt hatte, die anderen schämten sich ob dieser niederträchtigen Tat und sprachen von Völkermord. Ich war schockiert und sprachlos.
Als Wanda von dieser gnadenlosen Abschlachterei erfuhr, verlor sie das Bewußtsein. Ich wachte die ganze Nacht bei ihr und flößte ihr heißes Kräuterwasser ein, damit sie wieder zu Kräften käme. Ich glaube, sie war einfach erschöpft. Ihr Geist war erschöpft. Ich bat sie, mit mir zu sprechen, doch sie antwortete nicht.
Als Cäsar mich rief, um diesen unseligen vierten Rechenschaftsbericht fortzusetzen, befahl ich Krixos, nicht von Wandas Seite zu weichen. Auch in Cäsars Schreibkanzlei war die Stimmung zwiespältig und gedämpft. Niemand erhob Einspruch, als Cäsar die Zahl der ermordeten Germanen mit vierhundertdreißigtausend angab und die Zahl der eigenen Gefallenen mit Null. Mir war es egal. Sollten die in Rom und später die Nachwelt durch solche Zahlen doch allgemein an Cäsars Glaubwürdigkeit zu zweifeln beginnen.
Cäsar mußte natürlich die Zahl der Opfer übertreiben, um Rom verständlich zu machen, daß das Überleben des römischen Imperiums auf dem Spiel gestanden hatte. Aber wie erklärte man die willkürliche Festsetzung von Gesandten, die Mißachtung des von Rom selbst so hoch geachteten Völkerrechts?
Cäsar kümmerte sich nicht darum. Er war von seinem Gallien besessen. Und er war Römer. Als Römer, der Anspruch auf die Weltherrschaft hatte, oder zu haben glaubte, war es für ihn selbstverständlich, mehr Rechte als andere Menschen zu haben. Und für einen Julier, der von den unsterblichen Göttern abstammte und von ihnen begünstigt wurde, war es ohnehin klar, daß er die Spielregeln selbst bestimmte. Somit war es für Cäsar kein Widerspruch, Völker mit der Ausrottung zu bestrafen, weil sie das Gesandten- und Völkerrecht mißachtet hatten, und gleichzeitig selbst das Gesandten- und Völkerrecht mit Füßen zu treten, um dann ein weiteres Volk ausrotten zu können. Was für Barbaren galt, galt nicht für einen Römer. Und was für einen Römer galt,
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