Cäsars Druide
Hatte sich jemals einer um mich bemüht? Hatte jemals ein keltischer Adliger versucht, mich zum Druiden zu machen? Santonix, vielleicht. Aber ein keltischer Adliger liebt nur sich selbst. In dieser Hinsicht unterscheidet er sich kaum von einem römischen Patrizier oder Ritter. Daß ich meine Druidenausbildung nicht fortgesetzt hatte, lag natürlich nicht allein am Widerstand des keltischen Adels. Ich will fair sein. Möglicherweise liebte ich den Wein doch zu sehr. Und Wanda zog ich den heiligen Versen allemal vor. Sie leistete mir auch Gesellschaft, als ich meinen inneren Zwiespalt und Ärger mit einem verdünnten Roten aus Campanien zuschüttete. Krixos hörte andächtig zu. Er schien aus jedem Wort etwas lernen zu wollen.
»Ja«, seufzte ich, »was wäre aus mir geworden in der keltischen Gemeinschaft? Soll ich ihr ewig dankbar sein, daß sie mich bei meiner Geburt nicht ersäuft hat? Das war nicht Nächstenliebe. Die hatten bloß Angst, die Wohnung eines Gottes unter Wasser zu setzen. Rom hat mir die Augen geöffnet. Rom! Rom hat mir die Tore zum Universum des Wissens geöffnet. Rom! Nicht unsere Druiden. Hier, in diesem Lager, bin ich Cäsars Druide! Hier genieße ich Ansehen und Respekt.«
Ich sah, daß Wanda und Krixos besorgte Blicke austauschten.
»Was ist denn mit euch los?« schrie ich Krixos an.
»Herr, ich glaube, es ist jetzt genug«, flüsterte Krixos.
Ja, mir schien, daß alle meine Freunde in diesem römischen Lager waren. Wanda, Lucia, Krixos und all die Römer. Römer. Ich war darüber erfreut. Und traurig zugleich. Denn tief in meinem Herzen war ich immer noch – ein raurikischer Kelte. Aber in jener Nacht trat ich in die Welt der Römer über. Von den Kelten hatte ich die Nase gestrichen voll.
Am nächsten Tag unterschrieb ich einen Vertrag, der mich verpflichtete, bis zum Abschluß von Cäsars Prokonsulat in Gallien in seinen Diensten zu bleiben. Ich hatte mich endgültig für Rom entschieden. Wie Tausende von Galliern auch.
Der Winter verlief ruhig. Für uns jedenfalls. Denn in Gallien gibt es keine ruhigen Winter. In den befriedeten Gebieten lebten rund 200 keltische Stämme. Und acht Legionen sind im Winter machtlos dagegen. Die Römer hatten Mühe zu verstehen, wieso ein Volk, das sich Rom unterworfen hatte, plötzlich wieder aufständisch wird. Das mag daran liegen, daß wir die Freiheit über alle Maßen lieben und die Knechtschaft hassen. Um einen Krieg auszulösen, genügt es, daß ein angesehener Kelte während eines gemeinsames Besäufnisses öffentlich darüber jammert, daß der Gedanke, daß seine eigenen Söhne römische Geiseln sind, ihm den Verstand raubt. Dann können sie plötzlich losheulen, als wollten sie mit ihren Tränen das ganze Land bewässern. Und dann folgt der Zorn, der Griff nach den Waffen und der sofortige Aufbruch. Sofern sie noch laufen können. Und so beginnen in Gallien zahlreiche Kriege. Wir ändern unsere Meinungen wie die Götter das Wetter im Frühling. Während Cäsar den Aufstand der Veneter, die den Seehandel nach Britannien kontrollierten, niederschlug, zog ich mit Fufius Cita ins Oppidum der Carnuten, nach Cenabum. Dort hatte Fufius Cita ein zentrales Handelsbüro eingerichtet, das den Getreideeinkauf in Gallien regeln sollte. Fufius Cita belieferte nur noch Cäsars Armeen. Obwohl es juristisch nach wie vor ein privates Unternehmen war, gehörte es längst zum Versorgungsstab von Cäsars Heer. Somit war es naheliegend, daß mich Cäsars Schreibkanzlei anwies, vorübergehend in Fufius Citas Büro einen festen Außenposten für die Korrespondenz einzurichten. Denn Cenabum befand sich außerhalb der festgelegten Kriegsgebiete.
Ich sollte mich später wieder Cäsar oder Labienus anschließen. Somit erreichten mich alle weiteren Nachrichten von den Kriegsschauplätzen stets mit großer Verspätung. Cäsar schlug die Aufstände nieder, und nach diesem dritten Kriegssommer schien er Gallien fest im Griff zu haben. Den Winter verbrachte er wieder in seinen anderen beiden Provinzen, in Illyrien und Norditalien.
Ich blieb im Oppidum der Carnuten zurück und versuchte die kalten Monate in meiner römischen Schreibstube zu überleben. Dabei kämpfte ich mit meiner Rohrfeder gegen immer größere Berge von Papyrusrollen. Römische Stafettenreiter kamen und gingen, ihre Satteltaschen waren prall gefüllt mit Nachrichten aus Rom und den anderen Teilen Galliens. Cornelius Balbus führte nun in Rom Cäsars Geheimdienst. Was nützte es, Gallien zu erobern,
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