Cäsars Druide
hat mir erlaubt, dir Wasser zu bringen.«
»Wasser?« murmelte ich. »Wasser?« Ich begann fürchterlich zu husten.
»Trink nicht so schnell«, flüsterte die Stimme in der Dunkelheit.
»Wo ist Celtillus? Mein Onkel Celtillus?«
»Wanda ist in Massilia! Hörst du, Herr? Wanda ist in Massilia.«
Auf einen Schlag war ich hellwach. Ich wollte mich umdrehen, doch mir wurde gleich wieder elend und übel.
»Ich bin's, Herr, Krixos, dein Sklave!«
Krixos!
»Laß dich anschauen, Krixos«, keuchte ich. Die Aufregung hatte mir den Atem geraubt. Krixos hielt mich mit einem Arm fest und rutschte auf den Knien in mein Blickfeld. Zitternd suchte ich sein Gesicht, befühlte seine Wangen, seine Nase.
»Bist du's wirklich?«
»Ja, Herr! Ich habe Wanda gesehen!«
»Geht es ihr gut?« keuchte ich.
»Ja, Herr, ich soll dir sagen, daß sie dich liebt, hörst du?«
Es war wie ein schmerzhafter Kloß, der langsam im Hals anschwoll und die Tränen aus den Augen trieb.
»Der Bernstein …«, murmelte ich. »Hast du Wanda freigekauft?«
Krixos schwieg. Also hatte er nicht.
»Sie ist Sklavin«, keuchte ich, »nicht wahr?«
»Ja, Herr. Aber es geht ihr gut. Ich wurde ausgeraubt, aber ich bin dem Sklaventroß gefolgt, bis nach Massilia hinunter.«
»Und … und wessen Sklavin ist sie, Krixos … Nenn mir seinen Namen!«
Krixos schwieg.
»Du sollst mir seinen Namen nennen, Krixos!« keuchte ich.
Ich hörte sein Flüstern an meinem Ohr. »Kretos«, sagte er.
Eine Viertelmillion Kelten rückte auf Alesia vor. Doch ich dachte nur noch an eins: Kretos. Ich mußte überleben und nach Massilia. Krixos hatte mir einige Wasserschläuche in der Erde vergraben. Nachts grub ich sie aus und trank. Seit einigen Tagen hatte ich Krixos nicht mehr gesehen.
Ich bin sicher, daß er in der Nacht erneut gekommen wäre, wenn es möglich gewesen wäre. Wahrscheinlich hatte er kein Geld mehr, um die Wachen zu bestechen.
Als ich eines Morgens aufwachte, war er wieder da. Er lag neben mir, von einem Pfeil niedergestreckt. Krixos war tot. In seiner Hand hielt er einen Leinensack. Er war mit Brot, Würsten und Wasserschläuchen gefüllt.
Zweihundertfünfzigtausend Kelten preschten auf Cäsars äußeren Befestigungsring zu. Eine Viertelmillion. Die Entscheidungsschlacht um Alesia hatte begonnen. Die letzte Schlacht für ein freies Gallien. Aber es war schier unmöglich, diesen genialen Sperrgürtel zu durchbrechen.
Zuerst kam ein breiter Landstreifen, der mit Tausenden von heimtückischen eisernen Widerhaken gespickt war. Egal, wie man diese vierdornigen Pferdefallen hinwarf, eine Spitze ragte immer steil nach oben. Die Kelten mußten absteigen. Nach dem Streifen mit den Eisenhaken folgten sorgsam mit Buschwerk getarnte Fallgruben, aus denen angespitzte Pfähle nach oben ragten. Darauf folgte ein breiter Streifen mit angespitzten Astgabeln, die wie eine stumme Phalanx steil aus dem Boden ragten. Und dahinter kamen zwei breite, im Abstand von vierhundert Schritt ausgehobene Gräben, die teilweise mit Wasser gefüllt waren. Zweihundertfünfzigtausend Kelten kamen zum Stillstand. In mühsamer Kleinarbeit mußten alle Hindernisse unter Einsatz des Lebens beseitigt werden.
Cäsars germanische Kavallerie machte einen Ausfall und fügte den Kelten empfindliche Verluste zu. Erst am vierten Tag gelang es ihnen, den äußeren Befestigungsring zu durchbrechen. Doch der mittlerweile ebenfalls eingetroffene Labienus verhinderte den endgültigen Durchbruch.
Und Cäsar warf sich seinen roten Feldherrenmantel über, bestieg Luna, den Schimmel des Niger Fabius, und führte seine Kavallerie aus dem schmalen Lager hinaus. In einer tollkühnen Aktion umging er das keltische Heer und fiel ihm erfolgreich in den Rücken. Die Kelten stoben panikartig auseinander. Vier Tage ohne regelmäßiges Essen hatten genügt. Vier Tage in erbärmlichen hygienischen Verhältnissen. Unter Tausenden von Menschen auf engstem Raum brechen Seuchen über Nacht aus. Die Krieger des keltisches Hilfsheeres hatten die Nase gestrichen voll. Und keiner von ihnen hatte die Autorität, sie zu halten. Viele blieben tot auf dem Schlachtfeld zurück oder wurden gefangengenommen und in die Sklaverei verkauft.
Am nächsten Tag wurden die Tore von Alesia geöffnet. Vercingetorix, der König der Arverner, ritt ins Niemandsland hinaus. Er war allein auf seinem letzten Ritt. Sein Schimmel war prächtig geschmückt. Aufrecht ritt er in seiner vergoldeten Rüstung auf die innere Befestigungsanlage der
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