Cäsars Druide
kurz, aber schließlich überreichte er mir einen kleinen Lederbeutel. »Das ist die Nieswurz, Korisios, damit kannst du den Helleborus brauen. Tunkst du einen Pfeil in den Helleborus, wird das größte Tier zusammenbrechen, auch wenn du nur den Fuß triffst. Der Helleborus ist ein Toxicum. Es tötet jede Krankheit. Aber in 99 von 100 Fällen auch den Menschen.«
Verucloetius faßte lächelnd meine Hände. »Die großen Prüfungen stehen dir noch bevor, Korisios. Noch bist du niemandes Druide! Geh sorgfältig mit deinem Wissen um. Die Götter haben dich erkannt. Von jetzt an genießt du ihre besondere Aufmerksamkeit.«
Als wir in der Ferne den Lemannus-See in der Sonne glitzern sahen, verabschiedete sich Verucloetius von uns. Er wollte alle keltischen Stammesfürsten ermahnen, Rom keinen Vorwand für eine militärische Auseinandersetzung zu liefern. Es war eine schwierige Aufgabe, denn kein Stammesfürst akzeptierte die Einmischung eines anderen Kelten. Aber Verucloetius war Druide. Er mußte es wenigstens versuchen.
Wanda und ich verbrachten die nächsten Tage allein in den Wäldern. Ich suchte Pflanzen und Kräuter, opferte den Göttern und versuchte zu hören, was sie mir zu sagen hatten. Sollte ich nun Druide werden oder ein Mann des Handels? Sollte ich mit den Helvetiern an den Atlanticus ziehen oder nach Massilia? Ich brauchte die Hilfe der Götter dringend. Onkel Celtillus hatte mir vieles beigebracht. Aber er hatte mir nie beigebracht, eigene Entscheidungen zu treffen.
III.
Die keltischen Allobroger leben zwischen zwei Flüssen. Der eine heißt Rhodanus, der andere Isara. Die Allobroger wurden vor rund fünfzig Jahren gemeinsam mit den keltischen Arvernern von Rom unterworfen. Ihr Gebiet ist heute römische Provinz. Die Römer nennen sie Gallia Narbonensis. Ihre äußerste Grenzstadt ist Genava. Sie grenzt direkt an das Gebiet der Helvetier. Eine Brücke über den Rhodanus verbindet das Land der freien Kelten mit der römischen Provinz. Ende März standen Wanda, Lucia und ich auf dieser Brücke. Von weitem schon sah man die drei Meter hohe Schutzgöttin der Allobroger. Es war eine Eichenholzfigur, die einen riesigen Torques aus Gold trug. Die Helvetier saßen bereits zu Tausenden am nördlichen Ufer des Rhodanus und warteten auf keltischem Boden die Versammlung der Stammesfürsten ab, die heute nacht stattfinden würde. Auf dieser Versammlung, zu der mich niemand eingeladen hatte, sollten nochmals alle Details besprochen und bekräftigt werden. Man wollte friedlich durch das Gebiet der von Rom unterworfenen Allobroger ziehen und in wenigen Monaten das Land der Santonen an der Küste des Atlanticus erreichen. Wir würden nochmals jene Gegend durchqueren, die der ruhmreiche Divico vor rund fünfzig Jahren zum Schandfleck der römischen Legionen gemacht hatte.
Als wir vor drei Jahren die Auswanderung beschlossen – damals war der reiche Orgetorix noch unser Führer –, hatten sich die Allobroger erneut gegen Rom erhoben und uns die Erlaubnis für den Durchzug erteilt. Doch der Aufstand war einmal mehr niedergeschlagen worden. Ihr Wort war nichts mehr wert. Jetzt zählte das Wort des neuen Prokonsuls, das Wort von Gaius Julius Cäsar. Wir wollten ihn offiziell um Erlaubnis bitten. Sollte er unsere Bitte abschlagen, würden wir das hinnehmen, die römische Provinz umgehen und den beschwerlichen Weg durch die Schluchten zwischen Rhodanus und Jura wählen und dann durch das Gebiet der ebenfalls mit uns befreundeten keltischen Sequaner und Häduer nach Westen ziehen. Dieser Umweg wäre sehr beschwerlich, aber wir würden ihn akzeptieren. Dem Frieden zuliebe.
Zusammen mit Wanda und Lucia überquerte ich also die Holzbrücke und betrat auf der anderen Seite das Oppidum der keltischen Allobroger. Nein, ich betrat die römische Provinz Gallia Narbonensis. Am anderen Ende der Brücke versperrten mir sechs römische Legionäre den Weg. Zollbeamte. Sie trugen eine bronzene Ausgabe unseres keltischen Helmes mit Wangenklappen, einen keltischen Kettenpanzer, der aus dreißigtausend kleinen Metallringen bestand, ein spanisches Schwert und einen Pilum. Dank Onkel Celtillus waren mir die gebräuchlichsten Waffen rund ums Mittelmeer vertraut. Aber ein bißchen enttäuscht war ich schon. Wie konnte jemand, der nicht mal eigene Waffen und Rüstungen erfinden konnte, das gesamte Mittelmeer beherrschen? Einige Legionäre waren auf ihre hohen ovalen Schilde gestützt. Die Schilde waren bunt bemalt.
»Atticen quaerat assibus
Weitere Kostenlose Bücher