Cäsars Druide
präsentierte sich wie eine Naturgewalt, die durch nichts aufzuhalten war. Aber er hatte nicht wie Divico die Wildheit und Freiheitsliebe des Todesmutigen in den Augen, nein, in Cäsars Zügen sah ich die Skrupellosigkeit des kühl berechnenden Zynikers. Er war hager und blaß. Abschätzig und kalt musterte er die Menschen. Aber da war auch dieses stille Schmunzeln in seinen Mundwinkeln, dieser leise Spott, der den verschwenderischen Genießer und hemmungslosen Triebmenschen charakterisierte. Während der hinterlistige Taktiker siegt, stirbt der Mutige an seinem Mut. Cäsar war kein Kelte. Er war durch und durch Römer. Ehrgeizig bis in den Tod. Lieber sterben, als der Zweite sein.
»Heil dir, Cäsar«, schrien seine Legionäre erneut und reckten dabei den rechten Arm steil in den Himmel. Cäsar quittierte es mit einem Lächeln, als hecke er gerade einen besonders boshaften Plan aus.
Ich hatte genug gesehen. Ich mußte zurück zu meinem Stamm am anderen Ufer des Rhodanus. Aber zuvor wollte ich bei Niger Fabius dieses wunderschöne seidene Halstuch mit den beiden aufgestickten Pferden kaufen. Wer weiß, ob ich jemals wieder eine römische Provinz betreten würde. Ich hatte zwar all die Jahre immer davon geträumt, nach Massilia zu ziehen und eines Tages Rom zu sehen, aber jetzt war mir die Lust vergangen. Träume sind manchmal seltsam. Sie verleihen einem eine ungeheure Kraft. Man versetzt Berge, um ihnen ein Stück näherzukommen. Und wenn sie greifbar nahe sind, wendet man sich enttäuscht von ihnen ab. Ich war durcheinander. Was trieben die Götter für ein Spiel mit mir?
Ich verabschiedete mich von Kretos und sagte ihm, ich wolle sein Angebot noch ein paar Nächte überschlafen. Kretos hatte Verständnis.
»Laß dir Zeit, Korisios, ich werde bestimmt noch zehn Tage hiersein. Ich muß herausfinden, was Cäsar im Schilde führt.«
Niger Fabius freute sich sehr, mich noch einmal zu sehen. Er wollte mich gleich bewirten, aber ich sagte ihm, daß ich es sehr eilig habe. Er bot mir das Halstuch für zwei Silberdenare an und überließ es mir schließlich für einen. Daraus lernte ich, daß man grundsätzlich nie mehr als die Hälfte bezahlen sollte. Niger Fabius umarmte mich herzlich und betonte, daß ich jederzeit willkommen sei.
Mit Wanda ritt ich zur Brücke zurück. Ein bißchen wehmütig dachte ich an meine Ankunft in Genava. Ich hatte mich so gefreut, und plötzlich waren mit Cäsar schwarze Wolken am Himmel aufgezogen. Alles, was ich bisher über ihn gehört hatte, war plötzlich real und faßbar. Und vor allem bedrohlich.
Der Weg zur Brücke war von Hunderten von Legionären versperrt. Unter den Kommandos ihrer Centurionen legten die Soldaten ihre Kettenhemden ab und ergriffen das Werkzeug, das offenbar jeder mit sich führte. Die Legionäre waren so zahlreich, daß ich nicht bis zum Fluß hinuntersehen konnte. Man hörte bloß das Hämmern der Zimmerleute, die schweren Sägen der Pioniere und das Aufsplittern der Holzplanken unter den wuchtigen Axthieben der Legionäre. Ich ritt abseits des Zollareals zum Ufer hinunter. Ich traute meinen Augen kaum. Die Brücke wurde gerade abgerissen. Cäsar hatte den Befehl gegeben, die Brücke abzureißen! Wollte er uns nur davon abhalten, seine Provinz zu betreten, oder wollte er uns provozieren? Auf der anderen Seite des Ufers ging es ziemlich laut zu. Die Stimmung in den keltischen Zeltlagern mußte miserabel sein. Die meisten Auswanderer saßen seit Tagen gelangweilt herum und tranken vermutlich bereits die letzten römischen Weinfässer leer, die eigentlich bis an die Küste hätten reichen sollen. Einige Hitzköpfe brüllten, sie würden rüberschwimmen und Legionärsköpfe einsammeln. Es bedurfte vermutlich der Kraft und Autorität aller keltischen Fürsten und Druiden, um diese Heißsporne von ihrem Vorhaben abzubringen. Denn selbst wenn die Fürsten Frieden beschlossen hatten, wurde normalerweise toleriert, daß die Jungen nachts zum Spaß auf Kopfjagd gingen. In diesem Fall wollte man aber Cäsar nicht den geringsten Vorwand liefern.
Wanda und ich verließen trotzdem Genava. Wir wollten sehen, ob es entlang des Rhodanus irgendeine Möglichkeit gab, den Fluß zu überqueren.
Was uns außerhalb des Oppidums erwartete, überstieg jedoch erneut mein gesamtes Vorstellungsvermögen. Auf freiem Gelände errichtete Cäsars zehnte Legion in Windeseile ein Militärlager von etwa einer halben Meile auf eine halbe Meile.
»Korisios!« Ich entdeckte Kretos, der
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