Cäsars Druide
überlegt hatte, in den Sklavenhandel einzusteigen. Ich hatte ihn offenbar enttäuscht. Wir aßen und tranken und entwarfen feuerspuckende Streitwagen, deren Räder mit scharfen Messern bestückt waren. Wanda saß wie eine gekränkte Ehefrau in der Ecke und beobachtete mich mit unverhohlener Mißbilligung. Als ich schließlich aufstehen wollte und es alleine nicht mehr schaffte, kannte ihre stumme Verachtung kaum noch Grenzen. Ich weiß nicht mehr, wie sie mich in Niger Fabius' Gästezelt brachte. Es hieß, ich hätte spät in der Nacht Niger Fabius' Pferden noch heilige Verse vorgesungen. Es hieß auch, ich hätte seiner Stute den Lauf der Gestirne erklärt und sei dabei von ihr sanft zu Boden geschubst worden. Ich weiß auch nicht, ob es wahr ist, daß ich meine Sklavin küßte, als sie mir wieder auf die Beine half.
In den frühen Morgenstunden riß jemand unsere Zeltplane zur Seite und schrie meinen Namen. Es war Silvanus, der Zolloffizier.
»Korisios, Cäsar sucht einen Dolmetscher! Die Helvetier setzen mit einer Delegation über den Fluß.«
Ich wusch mein Gesicht in einer Schale Wasser, die mir einer von Niger Fabius' Sklaven reichte, und war sofort hellwach.
»Komm mit, Wanda. Wir müssen aufbrechen.«
Ich hatte natürlich wenig Lust, Cäsars Dolmetscher zu werden, aber es war eine gute Möglichkeit, anschließend wieder ans andere Ufer zu gelangen.
Silvanus begleitete uns zum Militärlager. Dort herrschte bereits ein lebhaftes Treiben. Vor jedem Zelt loderten die Feuer der Kochstellen. Die Burschen der Legionäre versorgten die Maultiere, reinigten die Waffen, mahlten Getreide oder buken bereits Brotfladen in der Asche. Einige Legionäre hatten ihren freien Tag. Im Viertel der Handwerker wurde emsig gearbeitet. Legionäre, die ihren Centurio nicht ausreichend hatten bestechen können, reinigten die Latrinen. Hier und da sahen wir berittene Hilfstruppen der Allobroger, die sich offenbar frei im Lager bewegen konnten.
Wir ritten die Via Praetoria hinunter und blieben vor dem Praetorium, Cäsars gigantischem Feldherrenzelt, stehen. Es bestand aus mehreren voneinander getrennten Arbeits- und Privaträumen. Vor dem Zelt standen mehrere junge Männer herum. Um die Hüfte trugen sie die Schärpe, die sie als Tribunen auswies. Zu jeder Legion gehörten sechs dieser Grünschnäbel, einer stammte jeweils aus einer Senatorenfamilie, die übrigen fünf aus ritterlichen Familien. Die meisten von ihnen verrichteten hier ihren einjährigen Pflichtdienst, bevor sie in Rom die ersten Bestechungsgelder für ihre politische Karriere zahlten. Sie musterten uns abschätzig. Für sie waren wir nichts anderes als minderwertige Wilde. Zwei Prätorianer, Soldaten aus Cäsars Leibgarde, nahmen uns die Pferde ab. Darauf wurde der Eingang des Zeltes zurückgeschlagen, und ein Offizier mit verzinntem Muskelpanzer trat ins Freie.
»Ich bin Titus Labienus, Legat der zehnten Legion.« Die Legaten waren bei Abwesenheit des Feldherrn die eigentlichen Kommandanten einer Legion. Labienus musterte mich nachdenklich. Er schien enttäuscht. Er wandte sich an Silvanus: »Ist das der Mann, von dem du mir erzählt hast?«
»So ist es, Legat Labienus«, antwortete Silvanus militärisch knapp.
Labienus war um die Vierzig, hatte freundliche Augen und machte im Grunde genommen einen aufrichtigen, gradlinigen Eindruck.
»Wie heißt du, Kelte?« fragte er mich.
»Ich bin Korisios vom Stamme der keltischen Rauriker. Ich verstehe und spreche die keltischen Dialekte, ich verstehe auch das Germanische und spreche fließend Lateinisch und Griechisch.«
Labienus nickte geduldig und anerkennend. Dann lächelte er. »Und wo willst du das alles gelernt haben?«
»Er ist Druide«, sagte Silvanus leise.
Labienus' Lachen verflog.
»Ist das wahr? Du bist Druide?«
Das war es also. Sie hatten riesige Angst vor keltischen Druiden. Sie waren hier in der Wildnis und stießen auf Sitten und Bräuche, die ihnen fremd und unheimlich waren. Ich versuchte ein weises Lächeln aufzusetzen. Labienus hatte sich längst wieder gefaßt. Er schmunzelte. »Du bist noch sehr jung. Ich dachte immer, keltische Druiden tragen weiße Roben und schlohweiße Bärte und wandern mit goldenen Sicheln lautlos durch die Wälder.«
»Du suchst einen Dolmetscher«, entgegnete ich, »hier bin ich. Wenn du meine Dienste in Anspruch nehmen willst, so sag es.« Ich sprach laut und deutlich, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Ich dachte, daß ich eine größere Wirkung erzielen würde,
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