Cäsars Druide
auf ihre blutrot bemalten Schilde. Das Spektakel der sechstausend Legionäre war beeindruckend. Es klang wie das Aufheulen einer gigantischen Kriegsmaschine. Cäsar genoß den Empfang und blickte die keltische Delegation respektlos an. Zu Fuß war Cäsar eher enttäuschend. Dünn und schmächtig. Ja, er wirkte fast zerbrechlich. Er war kein Krieger, der imponieren konnte. Unheimlich war nur dieses Lächeln, das um seine Lippen spielte. Es war das Lächeln eines Mannes, der sich seiner geistigen Fähigkeiten bewußt war und unbeirrt und unerschrocken seine egoistischen und ehrgeizigen Ziele verfolgte. Seine lebhaften schwarzen Augen strahlten eine Unbeugsamkeit und Rücksichtslosigkeit aus, die schlicht beängstigend war. Das war kein Mann, der das Gespräch oder den Konsens suchte. Dieser Mann suchte den Erfolg um jeden Preis. Er suchte den totalen Sieg.
»Ich bin Gaius Julius Cäsar, Prokonsul der Provinz Gallia Narbonensis. Meine Tante Julia stammt mütterlicherseits von den Königen ab, knüpft väterlicherseits an die unsterblichen Götter an. Denn von Ancius Marcius, dem vierten König Roms, stammen die Marcier mit dem Beinamen Rex, und so hieß meine Mutter. Von der Venus hingegen stammen die Julier, und zu dieser Sippe gehört meine Familie. Also lebt in meinem Geschlecht die Majestät der Könige, die unter den Menschen am mächtigsten sind, und die Heiligkeit der Götter, in deren Gewalt selbst die Könige stehen.«
Mit weitausholenden, theatralischen Gesten hatte Cäsar seine Abstammung kundgetan.
Cäsar schaute kurz zu Labienus hinüber. Der Legat nickte mir zu. Ich begann nun, meine zwei Silberdenare zu verdienen. Die keltische Delegation hörte meiner Übersetzung unbeeindruckt zu. Als ich fertig war, nickte ich Labienus zu, und Cäsar fuhr fort:
»Kelten! Sprecht! Rom hört.«
Ich übersetzte gleich, ohne Labienus vorher einen Blick zuzuwerfen.
Nammejus ergriff das Wort. Im Gegensatz zu Cäsar schaute er mich jeweils kurz an, wenn er wünschte, daß ich mit der Übersetzung fortfuhr. Auch er konnte es natürlich nicht lassen, seine edle Abstammung hervorzuheben, genauso wie die heldenhaften Taten all unserer Vorfahren. Obwohl ich keinerlei Sympathie für diesen römischen Prokonsul empfand, lag mir doch einiges daran, ihn zu beeindrucken. Vielleicht war es auch bloß mein keltisches Blut, das nach Ruhm, Ehre und öffentlicher Anerkennung lechzte. Aber ich stellte zu meiner eigenen Überraschung fest, daß ich nicht der keltischen Delegation, sondern diesem Gaius Julius Cäsar imponieren wollte.
Endlich kam Nammejus zur Sache: »Ich bin Nammejus, Fürst der Helvetier, und beauftragt, für sie zu sprechen. Vor drei Jahren beschloß unser Volk die Auswanderung ins Gebiet der mit uns befreundeten Santonen an den Atlanticus. Die Allobroger gaben uns damals die Erlaubnis, ihr Gebiet zu durchqueren. Dieses Gebiet ist heute römische Provinz. Prokonsul, wir sind willens, deine Provinz ohne Feindseligkeiten zu durchqueren. Wir haben keine andere Möglichkeit, das Gebiet der Santonen zu erreichen. Wir bitten dich hiermit um die Erlaubnis, durch deine Provinz marschieren zu dürfen. Wir haben genügend Proviant, um niemandem zur Last zu fallen. Und wir bieten große Mengen Gold als Pfand an.«
Cäsar nickte knapp und setzte einen gelangweilten Gesichtsausdruck auf. Er schaute kurz zu mir, musterte mich emotionslos und begann dann zu sprechen.
»Fürst Nammejus, ich habe das Anliegen deines Volkes zur Kenntnis genommen. Ich muß mir euer Vorhaben überlegen. Trage dein Anliegen an den Iden erneut vor. Dann werde ich dir meine Antwort geben. Es ist die Antwort des römischen Senats und des Volkes von Rom.«
Mit diesen Worten verschwand Cäsar wieder in seinem Zelt, und das Gestöhn des verendenden Ochsen, das die Römer als musikalisches Signal ihrer Tuba betrachten, erschallte über das gesamte Lager.
»Nammejus«, fragte ich den Fürsten, »darf ich mit euch zurückkehren?« Ich sprach in helvetischem Dialekt, so daß es kein Römer verstehen konnte. Anstelle von Nammejus antwortete der Druide Verucloetius.
»Korisios, in diesem Zelt wirst du deinem Volk von größerem Nutzen sein. Bleib hier, bis wir wiederkommen. Hab Geduld, Korisios, denn die Taten der Götter sind oft unergründlich, und erst spät offenbart sich der göttliche Plan, der ihnen zugrunde liegt.«
Ich nickte dem Druiden zu. Ich war bereit, acht Tage hier auszuharren.
Die Prätorianer brachten die Pferde wieder, und die keltische
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