Cäsars Druide
ein Geist, der sich in mir eingenistet hatte und heranwuchs wie ein Kind, das man sich sehnlichst gewünscht hatte. Es war der Geist der Liebe.
Ich mußte über mich lachen, wenn ich an den naiven Jüngling dachte, der auf dem raurikischen Hof unter der Eiche gesessen und davon geträumt hatte, das größte und dickste und angesehenste Buch der Kelten zu werden. Mit Wanda zu schlafen machte bedeutend mehr Spaß! Sicher, die Gestirne mit Hilfe astronomischer Berechnungen zu erforschen war ohne Zweifel interessant. Aber war es nicht bezaubernder, den Körper einer Frau mit Liebkosungen zu erforschen? Ich versuchte aufrichtig, diese übermütigen Gedanken loszuwerden, damit kein übelgelaunter und gelangweilter Gott sich darüber ärgern mußte, aber es gelang mir nicht wirklich.
Nach einigen Stunden Ritt erreichte ich einen kleinen Bergsee. Die Sonne stand senkrecht über uns, und das Wasser glitzerte wie kleine Bronzespiegel in der Sonne. Das Wasser war glasklar und sauber. Auf dem Grund des Sees schimmerten metallene Gegenstände. Ohne Zweifel war hier in der Vergangenheit schon mehrfach geopfert worden. Ich zog meine Lederschuhe aus und wusch meine Füße. Danach reinigte ich meine Hände. Einen Augenblick war ich irritiert, denn ich dachte, ich hätte den richtigen Vers vergessen. Hatte mich Santonix nicht vor den Gefahren des Weines gewarnt? War es nicht so, daß der Wein das Gedächtnis beschädigte, wie ein Feuer, das Löcher ins Pergament brennt?
Ich kniete nieder und streckte beide Arme zum Himmel.
»Oh Götter, oh Taranis, Esus und Teutates, als ich erschaffen wurde, formte mein Schöpfer mich, aus der Frucht der Früchte, aus den Stockrosen und den Blumen der Hügel, aus den Blüten der Bäume und Sträucher, aus den Blüten der Nessel, ich war verzaubert von der Weisheit der Götter und ihren Kindern.«
Ich setzte ehrfürchtig den Trinkschlauch an und trank – und es verschlug mir den Atem. Ich weiß nicht, ob ich den falschen Vers aufgesagt oder den Trank falsch zubereitet hatte. Auf jeden Fall fühlte ich sogleich, wie die Götter in mich eindrangen, mein Herz aus der Verankerung rissen und weit wegschleuderten. Ich wurde mitgerissen, schwebte in hohem Bogen über die Felder, die immer bunter und ungestümer unter mir davonflogen, und ich hörte Onkel Celtillus lachen, so laut, daß das Wild aus den Wäldern floh und die Vögel in Panik davonstoben.
Ich hatte die Götter befragen wollen. Ich wollte, daß sie mir einen Blick auf das Schicksal meines Volkes gestatteten. Doch statt dessen verwandelten sich die Hügel zu prallen Brüsten, die Bäume glichen erigierten Penissen und das entlegene Waldstück, auf das ich zuflog, der pulsierenden Scham einer Barbarin, die sich langsam, gleich einer Knospe, öffnete. Zu spät realisierte ich, daß die Erdkruste unter mir aufbrach, und ich stürzte in eine enge Schlucht, deren Granitwände so eng waren, daß ich während des Falls geschält wurde wie eine Zwiebel.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich ratlos mit dem Kopf in meinem eigenen Erbrochenen. Das erste, was mir in den Sinn kam, waren Zwiebeln und Kretos' wütendes Gesicht. Mir war so übel, daß ich die Götter anflehte, mich sterben zu lassen. Mir war so elend. Immer wieder mußte ich mich übergeben. Mein Magen war längst leer. Ich erbrach bereits Galle, und die Götter hatten immer noch nicht genug. Was bei Epona hatte ich denn falsch gemacht?
»Ich weiß es nicht, Druide«, antwortete eine fremde Stimme. Ich öffnete die Augen und sah verschwommen die Gesichter, die wolkenartig über mir schwebten. Hatte ich bereits die Anderswelt betreten? War die Anderswelt unserer Welt so ähnlich?
»Celtillus?« fragte ich mißtrauisch.
»Was ist mit Celtillus?« fragte der Fremde ruhig.
»Celtillus ist tot«, murmelte ich.
Für einen kurzen Augenblick sah ich den Fremden sehr deutlich. Er trug keinen Schnurrbart, wie es die Kelten tun. Sein Haar war gelockt, aber kurz geschnitten. Doch an seinem Hals trug er den goldenen Torques eines Adligen. Auch die Fibel, die seinen Reiterumhang zusammenhielt, war sehr kostbar.
»Haben die Römer Celtillus getötet?« fragte der Fremde. Ich verstand nicht ganz, woher sein Interesse an meinem Onkel rührte.
»Nein«, sagte ich gequält, »du weißt ganz genau, daß kein Römer Celtillus umgebracht hat. Wir Barbaren bringen uns selber um.«
Ich versuchte die Augen offenzuhalten und klar zu sehen. Aber es gelang mir jeweils nur für ganz kurze Zeit. Zu groß waren
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