Café der Nacht (German Edition)
ersehnten Brief vielleicht niemals erhalten würde. Als sie mit Gustav darüber redete, schüttelte der nur den Kopf und legte beruhigend seine mächtige Pranke auf ihre kleine Hand.
„Das vergeht schon mit der Zeit, mein Liebchen.“
Doch Adele war sich da nicht so sicher. Sie war selbst zu lange alleine gewesen, um ein stummes Leiden übersehen zu können. Nach außen hin ließ Maxim sich nichts anmerken. Er wirkte gelöst und zufrieden und schien vollkommen in seiner neuen Aufgabe aufzugehen. Das Café lief weit besser an als erwartet. Innerhalb weniger Wochen waren schon die meisten Pensionszimmer mit hoffnungsvollen Künstlern, die Unterstützung gebrauchen konnten, belegt. Das stille, alte Haus summte erneut von Stimmen und Gelächter. Adele wusste nicht genau, was sie von der Kneipe im Kellergewölbe halten sollte. Sie war von dem wilden Theatervolk der unabhängigen Bühnen Münchens, das sich wie magisch angezogen vom Eröffnungsabend an Nacht für Nacht dort einfand, gleichsam irritiert und fasziniert. So etwas war sie nicht gewohnt, aber sie begann, sich daran zu gewöhnen, und immer öfter verbrachte auch sie ihre Abende im überschäumenden Trubel dort unten. Allmählich konnte sie verstehen, weshalb Maxim das Café der Nacht nie hatte vergessen können. Das Bohème machte seinem Namen alle Ehre, kunterbunt, respektlos und voller Lebensfreude, wie ein helles Licht, das weit über seine immer offene Eingangstür hinausstrahlte. Fast jeden Tag kam Maxim mit neuen Ideen. Rufus redete ihm glücklicherweise die Hälfte davon wieder aus. Doch das, was Adele sich für ihren Chef erhofft hatte, als sie nach München gezogen waren, dass er endlich lernen würde, zu leben, war nicht eingetreten. Noch nicht.
* * *
Der Umschlag war klein und weiß, ein wenig zerdrückt und schlaff an den Kanten, als wäre er erschöpft von einer langen Reise. Er traf an einem Samstagmorgen ein, unscheinbar, in dem Stapel anderer Post leicht zu übersehen. Er flatterte heraus, als Maxim die Briefe aus dem Kasten zog, und fiel wie mit einem kecken Augenzwinkern zu Boden. Maxim ging in die Hocke, um ihn aufzuheben, und ein seltsamer Schauder durchlief ihn, als seine Hand das Papier berührte. Er starrte stumm auf die norwegische Briefmarke, dann ließ er seinen Blick über die ungeduldige, so vertraute Handschrift wandern. Er hatte für einen Moment lang das Gefühl, sein Herz hätte aufgehört zu schlagen. Dann stieg Hitze in ihm auf, und sein Puls setzte mit enormer Geschwindigkeit wieder ein. Im ersten Moment erwägte er, erst einen Brieföffner zu suchen, doch dann schüttelte er über sich selbst den Kopf und riss den Umschlag einfach auf, noch während er in den Caféraum trat.
Mit wild klopfendem Herzen zog Maxim ein weißes Blatt Notizpapier heraus, auf dem nur ein einziger Satz stand.
Na, das hat ja lange gedauert.
Maxim starrte einen endlosen, ungläubigen Moment auf die Worte in Monroes Handschrift. Dann brach er in schallendes Lachen aus, unendlich erleichtert und gänzlich befreit. Eine tiefe Wärme durchlief seinen Körper, der sich seltsam matt anfühlte. Seine Knie gaben nach und er sank auf den Boden, ohne es groß zu bemerken. Ihm war, als würde sein Herz überquellen vor unbändiger Freude. Monroe lebte!
Es war also wahr. Monroe war am Leben, sein Tod wirklich nur vorgetäuscht gewesen. Und allem Anschein und demselben alten, noch immer staubtrockenen Humor nach, ging es ihm gut.
Maxim schüttelte fassungslos den Kopf und strich behutsam, zärtlich über die mit Kugelschreiber geschriebene Zeile. Seit sieben Jahren hatte er den anderen für tot gehalten, hatte geglaubt, seine zweite Chance mit ihm für immer vertan zu haben, und sich das nie verziehen. Und nun waren die Karten mit einem Schlag neu gemischt, und alles schien möglich.
Maxim wandte das Blatt um, und seufzte erleichtert auf. Eine Adresse stand darauf. Monroes Adresse. Irgendwo an einem Fjord in Norwegen. Er rappelte sich auf die Beine, die irgendwie noch immer merkwürdig wackelig waren. Keine Zeit zu verlieren. Nicht eine Minute. Es war schon viel zu viel Zeit verstrichen. Eilig hinkte Maxim die Treppe hinauf, um einen Koffer zu packen, kopflos, haltlos. Von ungläubigem Glück getragen.
Nie endend
Das Postschiff schipperte nur alle drei Wochen auf seinem Weg an der Küste entlang den einsamen Fjord hinauf. Die Berge, die den Meeresarm umgaben, der sich weit ins Festland hineinfraß, waren dunkelbewaldet und
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