Café Luna: Verbotenes Glück
Situation umzugehen, gut. Den ganzen Tag über hatten sämtliche Informationen und mögliche Konsequenzen in ihrem Kopf ein heilloses Durcheinander angerichtet. Was würde nur mit all den Mitarbeitern von Hansen passieren, wenn sie Konkurs anmelden müssten? Was trieb Comtess Coffee nur zu solch unlauterem Schachzug? Es war das eine, innerhalb der wirtschaftlichen Gegebenheiten den eigenen Vorteil so gut wie möglich zu nutzen, etwas ganz anderes jedoch, mit unfairen Mitteln den Untergang einer ganzen Firma anzukurbeln und sich dann zurückzulehnen, um genüsslich zuzugucken.
„Piet“, beantwortete Luisa, nicht ganz bei der Sache, Mollys Frage. Ob Valerie von Heidenthal womöglich einen privaten Racheplan verfolgte? Das würde so einiges erklären …
„Piet, Peter, der Wolf – wie auch immer, jedenfalls kann man in dieser Situation niemandem trauen“, erklärte Molly mit dramatischer Geste. „Und zwar absolut niemandem. Muss da nicht absolut jeder verdächtig werden, solange seine Unschuld nicht erwiesen ist?“
Der seltsame Unterton in Mollys Stimme ließ Luisa aufhorchen. Ihre beste Freundin sah ihr fest in die Augen, und Luisa wusste sofort, auf was sie hinauswollte – oder besser auf wen.
„O nein!“, erklärte sie rundheraus. „Das meinst du jetzt aber nicht ernst! Konstantin wäre nie und nimmer dazu in der Lage. Du hättest mal sehen müssen, wie durch den Wind der heute in der Firma war. Ich hab ihn leider kein einziges Mal alleine erwischt!“
Da Molly noch immer nicht allzu überzeugt aussah, fügte Luisa im Brustton der Überzeugung noch hinzu: „Ich bitte dich, wenn jemand eine ehrliche Haut ist, dann Konstantin. Der würde es ja nicht einmal schaffen, wegen einer Kleinigkeit zu lügen!“
„Ähhh“, Molly warf einen skeptischen Blick auf ihre beste Freundin, wie sie da zerzaust, aber mit erhobenem Kopf und blitzenden Augen auf ihrem Sofa saß, und entschied, dieses Thema nicht weiter zu vertiefen. Dass Konstantin mal eben vergessen hatte zu erwähnen, dass er in einer Beziehung steckte, als er Luisa begegnet war, wollte sie Luisa in diesem Moment nicht wieder unter die Nase reiben. Zumal er sich hoffentlich, wie versprochen, inzwischen von seiner Freundin getrennt hatte.
„Ich weiß, wer es vermutlich ist“, lenkte Molly daher schnell von diesem Thema ab.
Luisa machte große Augen. „Was? Wer?“
„Na so wie immer – entweder der Gärtner oder der Pförtner“, grinste Molly und bückte sich schnell, als gleich zwei ihrer grellorangen Sofakissen angesegelt kamen.
Ebenjener besagte Pförtner – Johann Rieger – befand sich exakt in diesem Moment bei Eleonore Hansen im Aufenthaltsraum des Reha-Zentrums, das einer herrschaftlichen Villa mit großer Parkanlage mehr ähnelte als einer medizinischen Einrichtung. Johann Rieger lächelte vor sich hin, als er sich umblickte. Eleonores selbst ernannter Kurschatten, Graf von Lüdow, hatte sich unweit mit einem Whiskey in einem Ohrensessel niedergelassen und ließ Eleonore und Johann nicht aus den Augen.
Johann Rieger hatte Eleonore, mit der ihn inzwischen eine freundschaftliche Beziehung verband, mal wieder Selbstgebrautes mitgebracht, wie der betagte Pförtner die Köstlichkeiten nannte, die er in seiner Küche zauberte. Dünn geschnittene Scheiben Roastbeef mit einer Honigsenf-Meerrettichsoße lagen zu Röschen gedreht auf einem Teller. Dazu gab es dunkles Sauerteigbrot. Nicht, dass es in dem Reha-Zentrum nicht gutes Essen gäbe, aber zwischen ihm und Eleonore hatte sich eine Art Tradition entwickelt, seitdem er sie das allererste Mal im Krankenhaus besucht und das Mittagessen dort gesehen hatte: graues Hackfleisch, bleicher Kartoffelbrei und Erbsen aus der Dose. Seitdem verging kein Besuch des Pförtners bei der Patriarchin, bei dem er ihr nicht eine kleine schmackhafte Aufmerksamkeit mitbrachte.
Heute allerdings schien Eleonore irgendetwas zu beschäftigen. Zwar aß sie mit Genuss, lächelte ihn freundlich an und plauderte über das Wetter und das Kricketspiel, das sie heute Nachmittag im Park beobachtet hatte, aber sie war nicht so recht bei der Sache. Johann Rieger nahm sich verunsichert eine Scheibe Brot und beobachtete die alte Dame nachdenklich. Sollte er geradeheraus fragen, was sie bedrückte? Aber was, wenn sie darüber nicht mit ihm sprechen wollte. Immerhin durfte er nicht vergessen, dass er nur der Pförtner war. Auch wenn sie ihn neulich „einen guten Freund von mir“ genannt hatte und das vor diesem albernen von
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