Caitlin, du bist zauberhaft
brachte.
Vor dem Schlafen las er ihr eine Geschichte vor. Morgens weckte er sie fröhlich, damit für sie der Tag mit einem Lächeln begann. Obwohl er im Haus keine zusätzliche Arbeit mehr hatte, drehte sich sein Leben außerhalb der Kanzlei fast ausschließlich um Isabelle.
Seine Mutter und seine Schwester sprachen kaum mit ihm. Sein Bruder ‘schien zwar nicht verärgert zu sein, war jedoch noch weiter auf Distanz gegangen. Er wollte mit der Angelegenheit absolut nichts zu tun haben.
Nathans Freunde schließlich meinten, er hätte den Verstand verloren. „Du willst das Kind wirklich selbst großziehen?“ fragte Jim Horner, mit dem er häufig angeln ging. „Mann, hast du sie noch alle?“
„Was hättest du denn getan?“ erwiderte Nathan. „Hättest du deine kleine Schwester auf die Straße gesetzt?“
Jim war ein unverheirateter Feuerwehrmann mit einer gehörigen Portion Mut und einem großen Herzen. „Weiß nicht“, räumte er betroffen ein. „Aber bestimmt hätte ich sie nicht zu mir genommen.
Wie alt ist sie denn? Fünf oder sechs?“
„Drei, fast vier.“
Jim schüttelte sich. „Hast du wenigstens jemanden, der dir hilft? Ein Kindermädchen?“
„Eine Haushälterin, die tagsüber auf die Kleine aufpasst.
Abends brauche ich im Moment niemanden.“
„Was ist mit deiner Freizeit? Kannst du Golf spielen, wann du willst, oder zum Angeln an die Küste fahren? Was ist mit einem langen Party-Wochenende?“
„Nichts davon. Manchmal kann ich an einem Samstagvormittag golfen, aber das muss ich vorher wegen eines Babysitters abklären.“
„Mann“, murmelte Jim.
„Die Dinge ändern sich eben“, meinte Nathan. „Ich muss endlich erwachsen werden.“ Jim legte ihm die Hand auf die Schulter. „Kumpel, du bist einfach ein besserer Mensch als ich.“
„Lass den Unsinn“, wehrte Nathan ab. „Ich habe mich nur verhalten, wie das jeder große Bruder tun würde, dich eingeschlossen, auch wenn du das jetzt nicht zugibst.“ In der Kanzlei achtete Caitlin Nathan gegenüber auf Distanz. Nur wenn er ihr bei dem komplizierten Fall des ärztlichen Kunstfehlers half, kam er an sie heran. Zwei Mal täglich besprachen sie die aktuellen Anliegen, und diese Sache wurde immer komplizierter.
„Allmählich ärgern mich Dr. Ripleys Anwälte“, stellte Caitlin am Mittwochnachmittag fest, eine Woche nach dem bewussten Kuss. „Sie behandeln mich, als hätte ich keine Ahnung, was ich mache.“
„Ich kenne diese Leute.“ Nathan saß neben ihr am Konferenztisch. „So behandeln sie jeden.“
„Sie sind absolut davon überzeugt, dass wir nachgeben werden und uns von ihnen einschüchtern lassen.“
„Sie haben auch guten Grund zu vermuten, dass wir nicht vor Gericht gehen werden“, bestätigte Nathan. „Nur wenige kleine Anwaltskanzleien haben es jemals erfolgreich mit ihnen aufgenommen.
Uns stehen einfach nicht die gleichen Mittel zur Verfügung wie ihnen. Sie sollten wissen, Caitlin, wie langwierig und teuer ein Prozess um einen ärztlichen Kunstfehler werden kann. Vor allem gegen einen so reichen Arzt wie Ripley, der sich dermaßen gute Anwälte leisten kann.“
„Meinen Sie, ich hätte den Fall nicht übernehmen sollen? Sie wissen doch, dass wir im Recht sind, Nathan. Und Sie wissen, dass die größeren Anwaltsfirmen den armen Mr. Smith abgewiesen haben.“
„Aus den soeben erwähnten Gründen“, erwiderte Nathan. „Der Fall ist zu schwierig. Der Ausgang ist völlig ungewiss, und die Sache kann sich endlos hinziehen.“
„Nicht wenn sich die Gegenseite auf eine entsprechende Abfindung einlässt.“ Er deutete auf den Brief, den Caitlin und ihr Mandant so beleidigend fanden. „Eine Abfindung haben sie doch schon angeboten.“
„Das ist schlicht und ergreifend eine Frechheit“, erklärte sie geringschätzig. „Mrs. Smith ist schließlich gestorben!“
„Wozu es auch durchaus ohne Ripleys Fehldiagnose hätte kommen können. Der Krebs befand sich in einem fortgeschrittenen Stadium.“
Natürlich war Caitlin klar, dass Nathans Aufgabe darin bestand, Gegenargumente anzubringen.
Trotzdem regte sie sich darüber auf. „Sie hätte aber wenigstens eine Chance gehabt, die Ripley ihr genommen hat. Er hat sie als Hypochonder eingestuft und ihr Beruhigungsmittel verschrieben, anstatt sie zu untersuchen. Der Kerl nimmt stets an, dass sich die meisten Leiden von Frauen mit Psychopharmaka behandeln lassen. Sie war schließlich nicht die erste Patientin, die sich einen anderen Arzt suchen
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