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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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blickten ihr verblüfft nach. Sie lief mit wehenden Locken über den Minervaplatz auf die Gartenmauer zu. Auf halbem Wege verlor sie beide Pantoffeln, bückte sich hastig, hob sie auf, zog sie aber nicht an, sondern lief barfuß weiter. Dann schlüpfte sie durch die angelehnte Gartentür und warf sie knallend hinter sich zu.
    „Die hat's aber plötzlich eilig", sagte Publius. Mucius schaute Antonius zornig an. „Du hättest ihr das nicht erzählen sollen", sagte er. Antonius war gekränkt. „Aber wenn es doch wahr ist", verteidigte er sich. „Solche Geschichten sind nichts für Mädchen", sagte Publius verächtlich.
    Eine Weile schwiegen sie grübelnd. Der Schein der Morgensonne drang durch die Büsche, der Himmel war blau, Vögel zwitscherten, und der Wind rauschte in den Pinien. Von der Suburagasse herauf drang das schwache Summen des erwachenden Straßenlebens.
    „Rufus muß fliehen", sagte Mucius plötzlich.
    „Fliehen?" riefen die andern überrascht.
    „Ich wüßte nicht, wohin er fliehen könnte", sagte Publius.
    Aber Antonius war begeistert. „Natürlich, er muß fliehen", rief er. „Er muß sich als Mädchen verkleiden und zum König von Persien fliehen. Wir können ihn auch in eine Kiste stecken und auf ein Getreideschiff schmuggeln, das nach Ägypten segelt. In Ägypten kann er Astrologe werden. Nein, ich weiß noch was Besseres. Er flieht in die Berge zu den Räubern. Die freuen sich, wenn er kommt. Sie brauchen immer neue Räuber, weil so viele von den Soldaten getötet werden. Wenn er Glück hat, kann er Räuberhauptmann werden. Dann besuchen wir ihn heimlich. Oh, das wird herrlich! Er läßt uns einen Ochsen am Spieße braten, und wir können soviel Wein trinken, wie wir wollen."
    Doch Mucius hatte sich inzwischen einen andern Plan ausgedacht.
    „Hört zu!" flüsterte er erregt. „Wir verstecken Rufus in unserer Versammlungshöhle. Heute abend bringen wir ihm Sklavenkleider, die muß er anziehen, und dann schaffen wir ihn zum Fluß hinunter. Ich weiß eine Stelle, wo er hinüberschwimmen kann, ohne von den Brückenwächtern gesehen zu werden. Er muß nachts weiterwandern und sich am Tage verstecken, bis er zu unserem Landgut kommt. Ich gebe ihm einen Brief an Sallus mit. Sallus ist unser Verwalter. Ich bitte ihn, Rufus als Sklaven aufzunehmen, zum Schein natürlich nur. Sallus tut das bestimmt für mich. Er hat mich sehr gern. Ich helfe ihm immer beim Schweinefüttern und Melken. Kein Polizist wird Rufus auf unserem Landgut suchen. Er kann solange bleiben, bis alles vergessen ist."
    „Sehr gut", sagte Julius bewundernd. Auch die andern lobten Mucius. Doch Mucius unterbrach sie. „Kommt!" mahnte er. „Wir müssen sofort zu Rufus."
    Sie liefen durch den Wald, bis sie eine Felsböschung erreicht hatten, kletterten sie hinauf und rannten dann eine stille, schattige Allee hinunter. Vor einem großen, altmodischen Gebäude mit winzigen Fensteröffnungen blieben sie stehen. Es war die Villa des Generals Praetonius.
    Mucius klopfte gegen die Tür. Ein alter, weißbärtiger Sklave öffnete. Er war erstaunt, sie zu sehen. „Ja, seid ihr denn nicht in der Schule?" fragte er freundlich.
    „Nein", erwiderte Mucius hastig, „wir haben Ferien. Unser Lehrer hat sich das Bein verstaucht."
    Der alte Sklave kicherte. „Da seid ihr wohl sehr traurig, was?" fragte er und zwinkerte lustig mit den Augen. „Was wollt ihr denn?"
    „Wir möchten Rufus sprechen. Wir haben ihm etwas sehr Wichtiges zu sagen", erklärte Mucius. „Hm", brummte der Alte. „Ich glaube, Rufus ist krank. Ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Aber seht selber nach! Ihr kennt ja den Weg. Kommt rein!"
    „Krank?" fragte Mucius beunruhigt.
    Der Alte zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht. Jedenfalls ist er heute nicht in die Schule gegangen, sonst hätte ich ihn sehen müssen."
    Sie traten in den Vorraum, zogen ihre Sandalen aus und gingen dann in die dämmerige, bescheiden eingerichtete Wohnhalle. Sie hatten hier schon viele gemütliche Stunden verlebt, denn Rufus' Mutter Livia war sehr gastfrei und freute sich immer, wenn die Jungen zu Besuch kamen. Die Jungen konnten sie gut leiden.
    Rufus' Zimmer war eine kleine, dunkle Kammer ohne Fenster, die ihr Licht durch eine Öffnung über der Tür erhielt. Die Jungen schlugen den Vorhang zurück und traten ein. Rufus lag im Bett und richtete sich erschrocken auf.
    „Was gibt's" fragte er verwirrt. Er zog unwillkürlich die Decke hoch, denn er hatte kein Nachtgewand an; sein Oberkörper war

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