Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
vielleicht retten.«
Xantippus hatte mit wachsendem Erstaunen seinen Schülern zugehört. »Wartet«, unterbrach er sie, »und ich bitte um absolute Ruhe.«
Die Jungen schauten ihn erstaunt an. Sie hatten ihn in ihrer Aufregung völlig ignoriert. »Verzeihung, Meister Xanthos, du mußt verstehen, wir haben keine Zeit zu verlieren«, erlaubte Mucius sich einzuwenden. »Wer nichts versteht, seid ihr«, sagte Xantippus seufzend. »Alle Zeit ist schon verloren.«
»Was meinst du damit, Meister Xanthos ? « fragte Mucius vorsichtig.
»Ich meine damit, daß ihr tatsächlich alle miteinander ein Brett vorm Kopf habt. Der Türhüter hat die volle Wahrheit gesagt. Ihr habt leider vergessen, daß Claudia uns den Brief schon gestern geschickt hat. Wir haben ihn unglücklicherweise wegen des Feiertages erst heute bekommen. Inzwischen ist Caius schon hingerichtet worden.«
»Allmächtiger Jupiter«, stöhnte Mucius. »Du hast recht, Meister Xanthos. Caius ist tot, und selbst die Götter können ihm nicht mehr helfen.«
7. Kapitel
Caius packt das Grausen
Caius wacht auf. Ihm ist übel und schwindelig. Um ihn herum ist es finster wie die schwärzeste Nacht. Er liegt lang ausgestreckt auf einem harten Boden und kann sich nicht bewegen. Irgend etwas schaukelt ihn ruckartig auf und ab, als ob er in einem Kahn ruhte, der von kurzen Wellen gestoßen wird.
Was bedeutet das alles? grübelt er benommen. Doch er ist unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Er sieht nur, wie in einem Traum, flüchtige Bilder vor seinem geistigen Auge auftauchen.
Ben Gor, der berühmte Rennfahrer, kommt ihm freundlich lachend entgegen und umarmt ihn. Ben Gor verwandelt sich in eine hohe Mauer. An der Mauer hängt eine Strickleiter. Jetzt schleicht er durch einen Park auf einen Palast zu, der zwischen Zypressen und Statuen im Sonnenschein schimmert. Plötzlich pflanzen sich zwei bewaffnete Männer vor ihm auf. Der eine packt ihn am Hals und würgt ihn, als ob er ihn erdrosseln wollte; der andere haut ihm mit dem Schwertgriff auf den Kopf. Die Sonne verfinstert sich, der Kiesweg fliegt ihm entgegen, und er verliert die Besinnung.
Caius kommt langsam wieder zu sich. Andere Bilder stürmen auf ihn ein. Er hockt zu Hause in seinem Zimmer auf dem Bett. Ein Prätorianer bewacht ihn. Sein Vater steht vor ihm und reicht ihm einen Becher hin. >Trink den Wein, Caius<, sagt sein Vater. >Er wird dir guttun.< Er trinkt gierig, denn er ist schrecklich heiser. Er will etwas sagen, aber bringt keinen Laut heraus. Gleich darauf stürzt er in ein allesverlöschendes Nichts.
Wann war das? Heute? Gestern? Oder ist alles nur ein Alpdruck? Er entdeckt plötzlich, daß eine Münze zwischen seinen Zähnen steckt. Was soll das? fragt er sich verwirrt. Man gibt doch nur den Toten eine Kupfermünze auf ihre letzte Reise mit? Sie müssen in der Unterwelt, am Ufer des Flusses Styx, den Fährmann Charon bezahlen, sonst setzt er sie nicht zum Hades über. Er stößt die Münze wütend mit der Zungenspitze von sich. Wahnsinn! Ich bin nicht tot. Einem Toten tut nichts weh. Und mir tun alle Knochen im Leibe weh. Auch meine Kehle ist wie abgeschnürt.
Aber warum riecht es so stark nach Weihrauch? Und warum hört er die üblichen Flötenspieler und Hornbläser, die einem Leichenzug voranmarschieren? Und das Jammern und Heulen der engagierten Trauermänner? Allmächtiger Jupiter! Das ist doch Claudia, die so herzzerbrechend schluchzt! Blitzartig trifft ihn die Erkenntnis: man trägt ihn zu Grabe. Er liegt im Sarg. Vor Entsetzen erstarrt ihm das Blut in den Adern. Sie wissen nicht, daß ich gar nicht tot bin. Sie bringen mich in unser Mausoleum. Dort sperren sie mich ein, und ich werde hier im Sarg ersticken. Ihn packt das Grausen. »Hilfe« versucht er zu rufen, aber er bringt nur ein wimmerndes Röcheln hervor. In seiner Verzweiflung kratzt er mit den Fingernägeln an den Holzwänden. Seine Kräfte erlahmen. Er schluchzt, und dicke Tränen rollen über seine Wangen. Dann schwinden ihm die Sinne.
8. Kapitel
Der Emperor ist das Gesetz
Am nächsten Morgen in aller Frühe, die Sonne war eben erst aufgegangen, trafen sich die Jungen in ihrer Versammlungshöhle, um eine Trauerfeier für Caius zu veranstalten. Sie hatten die versteckte Felsnische eines Tages am Abhang des Esquilinushügels entdeckt und begeistert zu ihrem Hauptquartier gemacht.
Heute waren sie weniger fröhlich gestimmt. Sie hatten alle ihre feinsten Knabentogen an, die mit dem breiten Purpurstreifen, die sie nur zu den
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