Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Claudia sich selber.« Rufus brauste auf. »Werd nicht frech, du Blödian! Claudia ist keine Ziege, merk dir das.«
»Unterlaßt diese pöbelhafte Sprache in meiner Gegenwart«, schnaubte Xantippus. »Wir müssen uns ausschließlich auf die Zeichnungen konzentrieren. Der Ziegenkopf sagt uns im Augenblick auch nichts. Aber vielleicht gibt uns der Kreis mit den Strichen einen Hebelpunkt.«
Das kann nur eine Stachelbeere sein«, behauptete Flavius.
Ich hab noch keine Stachelbeere mit so langen Stacheln gesehen«, widersprach Publius. »Es ist ein Stachelschwein.«
»Ein Stachelschwein ist nicht rund«, gab Flavius zurück.
»Doch, wenn es sich zusammenballt«, antwortete Publius.
»Genug von Stachelschweinen«, unterbrach Xantippus sie grollend.
»Für mich ist es die Sonne mit ihren Strahlen«, sagte Julius.
»Julius' Erklärung leuchtet mir ein«, gab Xantippus zu. »Obwohl Claudias Sonne uns vorläufig noch im dunkeln läßt. Laßt uns rekapitulieren. Wir haben drei Bildchen, und zwar: ein Zelt oder auch ein Dach; einen Ziegenkopf und die Sonne. Nun, ich muß offen gestehen, der Sinn dieser Kombination kommt mir so unlösbar vor wie die Quadratur des Kreises.«
»Ich weiß, was es ist«, rief Antonius. »Es ist eines der Rätsel der ägyptischen Sphinx, des fürchterlichen Weibes, das jeden Menschen verschlingt, der ihre Rätsel nicht raten kann.«
Xantippus schlug mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch, so daß der Abakus einen Luftsprung machte.
Antonius verstummte erschrocken.
»Bei Isis und Osiris«, rief Xantippus erregt. »Ich hab's! Claudia hat doch etwas geschrieben.« Die Jungen waren sprachlos. Auf dem Papier waren nur die Bildchen zu sehen, sonst nichts. »Antonius hat in seiner Einfalt das Geheimnis der drei Bildchen gelöst«, erklärte Xantippus.
Antonius schaute sich stolz im Kreise um.
»Obwohl er selbstverständlich keine Ahnung hat, warum.«
Das war eine kalte Dusche für Antonius.
»Wir sind jetzt nur noch einen Schritt vom Ziel entfernt«, fuhr Xantippus fort. »Mucius, renn in die Küche, nimm eins der Schwefelhölzer aus der Schublade, steck es am Herdfeuer an und bring es brennend herein. Aber vorsichtig, bitte.«
»Wird gemacht -!« Mucius flitzte in die Küche.
»Meister Xanthos«, rief Flavius, »du hast auch schon diese neumodischen Schwefelhölzer? Meine Mutter hat gestern gleich ein Dutzend von einem Straßenhändler auf dem Forum gekauft.«
»Komm mir jetzt nicht mit deiner Mutter«, knurrte Xantippus.
»Julius, eil in den Garten und füll am Brunnen einen Kübel mit Wasser und bring ihn herein.«
»Wasser -!« wiederholte Julius geschäftig und schoß hinaus.
»Publius, du bist der größte. Nimm die Öllampe ab, die dort an der Wand hängt, und stell sie zu mir auf den Schreibtisch.«
Publius stellte sich auf die Zehenspitzen, hakte die Lampe ab und brachte sie Xantippus. Inzwischen steuerte Mucius mit dem brennenden Schwefelholz durchs Zimmer auf den Schreibtisch zu. Er hielt die Hand vor die Flamme, damit sie nicht aus ging.
Gleich darauf schleppte Julius ächzend einen Kübel Wasser herbei und setzte ihn neben Xantippus nieder.
Xantippus rieb sich zufrieden die Hände. »Mucius«, befahl er, »zünde die Öllampe an, aber wirf dann sofort das noch glühende Schwefelholz in den Wassereimer.«
Mucius zündete die Lampe an und warf das Schwefelholz ins Wasser. Die Öllampe flackerte übelriechend auf.
Die Jungen dachten, Xantippus hätte den Verstand verloren. Wozu brauchte er das Lampenlicht? Draußen war es strahlend hell, und die Sonne schien mitten auf seinen Schreibtisch.
6. Kapitel
Claudia fleht um Hilfe
»Meine lieben Schüler«, begann Xantippus, »ich glaube, ihr wundert euch, was alle diese Vorbereitungen zu bedeuten haben.«
»Uns bleibt die Luft weg«, gestand Antonius.
Xantippus nickte befriedigend. »Dann hört jetzt gut zu. Als Antonius die ägyptische Sphinx erwähnte, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Claudia versucht mich mit ihren drei Bildchen verzweifelt an etwas zu erinnern. Ich hatte ihr damals auf dem großen Fest, zu dem wir alle eingeladen waren, um Rufus' Rettung zu feiern, von einer Geheimschrift der reichen Ägypter erzählt. Wenn diese Herren verhindern wollten, daß ein Unbefugter ihre Briefe las, schrieben sie mit Milch statt mit Tinte. Sobald nämlich die Milch völlig getrocknet ist, wird das Geschriebene unsichtbar.«
»Aber dann kann der Empfänger es doch auch nicht lesen«, rief Flavius
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