Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
erstaunt.
»Ein berechtigter Einwand, mein Guter, aber nur, wenn er den Schlüssel zu der Geheimschrift nicht kennt«, erklärte Xantippus ihm. »Sobald man den Brief über eine Flamme hält, wird die Milch versengt; sie verfärbt sich bräunlich, und siehe da, wie durch Zauberhand taucht das Geschriebene auf einmal deutlich auf.«
»Fabelhaft!« rief Antonius, »das muß ich zu Hause sofort ausprobieren.« - »Ich auch«, riefen Flavius und Rufus.
»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte Xantippus mit erhobener Stimme. »Daher warne ich euch: bevor ihr einen Bogen Papyrus über eine offene Flamme haltet, stellt erst einen Kübel Wasser daneben, so wie wir es hier gemacht haben. Denn wenn ihr nicht vorsichtig seid, verbrennt ihr euch nicht nur die Finger, sondern verbrennt eventuell auch das ganze Haus.«
Die Jungen lachten herzlich.
»Ruhe!« befahl Xantippus. »Wir haben keine Veranlassung zur Heiterkeit. Oder habt ihr Caius schon vergessen?« Die Jungen schwiegen beschämt. »Wie hast du nur das Rätsel der Bildchen gelöst, Meister Xanthos?«
fragte Mucius.
»Claudia hat mich gewissermaßen mit der Nase draufgestoßen. Die beiden Dreiecke sollen selbstverständlich eine ägyptische Pyramide sein. Daran haben wir nur nicht gedacht. Was den Ziegenkopf betrifft, so sind wir alle miteinander begriffsstutzig gewesen. Er bedeutet natürlich weiter nichts als Milch. Wie ihr wißt, trinken die meisten Römer nur Ziegenmilch; fast jeder Milchladen hat ja auch einen Ziegenkopf über der Tür. Der Kreis mit den Strichen ringsherum stellt die Sonne mit ihren Strahlen dar, wie Julius richtig vermutet hat. Bekanntlich ist die Sonne eine Wärmequelle. Jetzt wollen wir aber endlich herausfinden, was Claudia uns mitteilt.« Er hielt den Bogen Papyrus vorsichtig über die Öllampe, so daß das Blatt heiß wurde, aber nicht anbrannte. Dabei bewegte er es langsam hin und her, um die ganze Fläche gleichmäßig zu erhitzen.
Die Jungen schauten mit angehaltenem Atem zu. Es dauerte nicht länger als drei bis vier Pulsschläge, dann zeigten sich hier und da bräunlich gefärbte Wörter, und schließlich stand Claudias gesamte Botschaft auf dem Papier. Die Jungen konnten sie aber nicht lesen, da die Buchstaben, von ihrem Blickfeld aus, auf dem Kopf standen.
Xantippus pustete die Lampe aus, legte den Bogen vor sich hin und überflog ihn. »Wie entsetzlich«, murmelte er erschüttert.
»Was hat Claudia denn geschrieben, Meister Xanthos?« fragte Mucius erschrocken.
Xantippus räusperte sich. »Ich werde euch vorlesen«, sagte er heiser, und seine Stimme zitterte dabei. »Sie schreibt: >Hilfe! Mein Vater hat Caius auf Befehl des Emperors zum Tode verurteilt. Er soll heute abend hingerichtet werden. Ich flehe Euch an, rennt sofort zu Ben Gor; er ist der einzige, der Caius retten kann. Claudia<.«
»Wie grauenvoll«, ächzte Flavius schaudernd. »Bei allen Göttern der Unterwelt, was kann Caius nur Furchtbares verbrochen haben«, stammelte Rufus.
Julius war empört. »Es ist schon seit langem verboten, daß ein Vater seine Kinder aussetzt oder umbringt, wenn sie älter sind als ein Jahr.« Sein Vater war ein bekannter Richter, daher kannte Julius sich mit solchen kniffligen Sachen gut aus.
»Das hilft uns jetzt gar nichts«, sagte Mucius. »Wir müssen sofort zu Ben Gor.« »Er wird im Zirkus Maximus sein, um seine Pferde für das morgige Rennen einzutrainieren«, sagte Publius. »Wir werden ihn vor den Ställen abfangen«, bestimmte Mucius. »Los, kommt«, drängte er.
»Halt!« brüllte Julius. »Wir haben alle ein Brett vorm Kopf.«
»Warum?« fragte Mucius.
»Der Türhüter von Vinicius hat uns doch erzählt, daß Caius tot ist.«
»Stimmt«, stöhnte Flavius. Er plumpste resigniert aufs Bett.
»Alles dummes Zeug«, schrie Rufus. »Der Türhüter ist ein Idiot. Claudia weiß besser, ob ihr Bruder noch lebt oder nicht. Wir haben doch soeben ihre Botschaft bekommen.«
»So - ?« widersprach Publius. »Dann erkläre mir bitte, du weiser Solon, warum der Türhüter sogar gesagt hat, daß Caius gerade beerdigt wird?«
»Das hat er sich aus den Fingern gesogen«, behauptete Rufus überzeugt. »Er wollte uns nur rasch los sein. Ich habe ihm gleich angemerkt, daß er lügt.«
»Der Kerl ist ein noch größerer Lügner als dieser Sinon aus der Iliade, der die Griechen von hinten und vorne beschwindelt hat«, erklärte Antonius.
Flavius sprang auf. »Gepriesen seien die Götter, Caius lebt noch, und wir können ihn
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