Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
mich nicht eine Stunde länger hier, sonst werde ich tobsüchtig. Ich halte es nicht mehr aus.« Er schluchzte ein paarmal, dann schloß er die Augen und schlief wieder ein.
Seine Freunde schauten betroffen auf ihn herab.
»Es strengt ihn noch alles zu sehr an«, sagte Flavius.
»Wir können ihn unmöglich hierlassen«, rief Rufus. »Claudia würde uns das nie verzeihen. Seit zwei Tagen liegt er eingekeilt in der Kiste im Dunkeln, ohne was zu essen und zu trinken.«
»Außerdem wissen wir noch gar nicht, ob wir Ben Gor heute schon sprechen können. Vielleicht erreichen wir ihn erst morgen«, sagte Julius. »Dann ist schon wieder eine Nacht vergangen.«
»Das ist ja schlimmer als der Gordische Knoten«, rief Antonius. »Wir können ihn nicht drei Meilen durch die Stadt schleppen, wegen der Geheimpolizei; wir können ihn aber auch nicht noch eine Nacht hierlassen, sonst verliert er den Verstand.«
»Ich wäre schon längst vor Schreck gestorben«, gestand Flavius.
»Ruhe!« befahl Mucius. »Ich habe mir inzwischen überlegt, was wir tun.« »Da bin ich aber neugierig«, sagte Publius. »Unterbrich mich nicht«, fuhr Mucius fort. »Es gibt nämlich nur eine Lösung für das Problem: wir transportieren ihn in seinem geschlossenen Sarg durch die Stadt.«
Julius, Flavius und Rufus waren baff.
13. Kapitel
Eine katastrophale Dummheit
Antonius war begeistert über Mucius' Idee, Caius im Sarg zu transportieren. »Wir sollten auch ein paar Kränze auf den Sarg drauflegen, damit es echt aussieht,« schlug er vor.
»Du bist wohl verrückt«, knurrte Publius. »Die Kränze stinken ja schon, so alt sind sie.« »Aber fallen wir mit dem Sarg nicht erst recht auf?« fragte Flavius besorgt. Flavius hatte eine etwas ängstliche Natur.
»Du mußt geschlafen haben, seitdem du auf der Welt bist«, sagte Julius. »Man trifft fast jeden Tag arme Leute auf den Straßen, die ihre Verstorbenen selber auf den Schultern zu Grabe tragen. Das ist ein gewohnter Anblick. Es schaut schon kein Mensch mehr danach hin. Arme Leute haben kein Geld für Leichenbestatter.«
»Es gibt sogar Leute, die so arm sind, daß sie sich nicht einmal einen Sarg leisten können«, erzählte Antonius. »Sie werfen ihre Toten einfach auf eine Karre und schieben sie zum Friedhof.«
»Ich fürchte, der Sarg mit Caius drin wird zu schwer sein für uns«, sagte Rufus.
»Wir sind sechs starke Jungen«, sagte Mucius. »Das wäre ja gelacht, wenn wir es nicht bis zu unserer Höhle schafften. Die Kiste da wiegt überhaupt nichts.«
»Caius wiegt auch nicht mehr viel, nachdem er so lange nichts gegessen hat«, warf Publius ein.
»Wir müssen uns sofort auf die Beine machen«, warnte Mucius. »Es dauert nicht lange, bis alle Straßen wegen der Rennen derartig verstopft sind, daß wir nicht mehr durchkommen. Antonius, flitz hinaus und schau dich gut um. Wenn weit und breit niemand zu sehen ist, stoß einen Pfiff aus, dann bringen wir andern den Sarg, hopp, hopp, raus.
Sobald wir glücklich auf der Via Appia sind, ahnt kein Mensch mehr, wo wir herkommen.«
Antonius öffnete die Tür einen Spalt und steckte erst vorsichtig den Kopf raus. Schließlich zwängte er sich durch die Öffnung und verschwand.
Um keine Zeit zu verlieren, wenn Antonius das Signal gab, daß sie freie Bahn hatten, packten die anderen gleich die Henkel zu beiden Seiten des Sarges, stemmten ihn hoch und luden ihn sich auf die Schultern. Sie stolperten damit zur Tür. Caius wachte davon auf und lüftete den Deckel. »Seid ihr wahnsinnig?« krächzte er. »Was macht ihr mit mir?«
»Wir bringen dich jetzt in unsere Höhle«, rief Julius.
»Mach um Himmels willen den Deckel nicht mehr auf, wenn dir dein Leben lieb ist«, schrie Mucius. Er klappte ihn energisch wieder zu.
In diesem Augenblick pfiff Antonius wie ein Wilder, und Julius und Flavius, die die Spitze des Transports bildeten, stießen in ihrer Aufregung mit dem Sarg die Tür auf.
»Au, paßt doch auf!« hörten sie Caius wütend protestieren.
»Ruhe!« brüllte Mucius. »Kein Wort mehr von dir! Stell dich tot.«
Caius verstummte.
Auf dem Treppenabsatz draußen trat Mucius rasch die Tür hinter sich zu. In seiner Hast drehte er sich dabei nicht noch einmal um, was eine katastrophale Dummheit war, die er später aufs tiefste bereute.
14. Kapitel
Vor die Tugend haben die Götter den Schweiß gesetzt
Kaum war die Tür ins Schloß gefallen, eilten die Jungen, mit dem Sarg auf ihren Schultern, die Eingangsstufen hinunter. Sie liefen an
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