Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
den beiden steinernen Löwen vorbei, über den Kiesweg und auf die vereinsamte Via Appia. Hier hielten sie erschöpft an, um zu verschnaufen. Ihre Last war doch schwerer gewesen, als sie geglaubt hatten.
»Das Schlimmste haben wir hinter uns«, sagte Mucius.
»Es hat uns zum Glück niemand aus dem Mausoleum rauskommen sehen«, fügte Rufus hinzu. »Warum war das so wichtig?« fragte Flavius japsend. »Du verstehst aber auch nie etwas«, sagte Publius. »Man trägt einen Sarg rein in ein Mausoleum, aber nicht raus. Das hätte Verdacht erregt.« »Von nun ab brauchen wir wenigstens nicht mehr zu galoppieren damit«, sagte Julius. »Um so besser, ich schwitze jetzt schon wie eine Wurst in der Bratpfanne«, murrte Publius.
»Vor die Tugend haben die Götter den Schweiß gesetzt, predigte der alte Hesiod«, sagte Julius weise. Julius war der Gebildetste unter seinen Freunden.
»Dein Hesiod kann mir gestohlen bleiben«, gab Publius zurück.
Antonius, der hinter einer Zypresse als Spion auf der Lauer gelegen hatte, kam fröhlich grinsend angerannt, um den anderen tragen zu helfen. »Fortuna war uns hold«, rief er ihnen zu, »es war nicht einmal eine Maus zu sehn.« Er nahm seinen Platz unter dem Sarg ein, und Mucius kommandierte: »Nun aber los! Vorwärts, marsch! Und daß mir niemand schlappmacht.«
Die anderen grunzten resigniert. Sie rückten den Sarg noch einmal auf ihren Schultern zurecht, dann marschierten sie mit gemessenen Schritten und kummervollen Mienen, wie es sich bei einem Begräbnis gehörte, auf die Stadt zu. Mucius und Publius hatten jetzt die Führung übernommen, dann kamen Antonius und Julius, und den Schluß bildeten Rufus und Flavius.
Das Wetter war ihnen günstig. Die heiße Sonne hatte sich hinter schwarzen Wolken verkrochen, und eine frische Brise wehte ihnen die Haare um die Ohren. Leider wirbelte sie auch viel Staub auf. Dagegen waren sie machtlos. Sie konnten weiter nichts tun, als die Augen zuzukneifen und heldenhaft entschlossen weiterzuwandern.
Nach einer halben Stunde sahen sie zu ihrer Erleichterung endlich den Zirkus Maximus hinter der Stadtmauer auftauchen. Auch das Grölen und Gelächter der Menschenmassen im Zirkus wurde immer lauter. Wahrscheinlich fanden gerade die Spiele, Akrobatenakte und Tanzvorführungen statt, die gewöhnlich den Hauptereignissen vorangingen, um das Volk zu ergötzen. Die Jungen waren schon völlig erschöpft und hätten am liebsten den Sarg mit Caius drin einfach stehenlassen, um nach Hause zu wanken und sich ins Bett zu legen. Seit ihrer Gedenkfeier am frühen Morgen hatten sie keine Ruhepause mehr gehabt.
Mucius spornte sie aufs neue an. »Wir brauchen nur noch die Triumphstraße zu bewältigen«, tröstete er sie.
Als sie jedoch auf das Capenator in der Stadtmauer zusteuerten, erwartete sie eine peinliche Überraschung. Ein Polizist versperrte ihnen mit seiner Bambuslanze den Weg.
Die Jungen stoppten erschrocken.
Der Polizist sah kriegerisch aus. Er hatte einen Brustpanzer an und einen Helm auf, aber er schien ein junger Rekrut zu sein, ein gutmütiger Bauernbursche vom Lande. Er musterte die Jungen mit ihrem Sarg teilnahmsvoll. »Wo wollt ihr hin?« fragte er mit amtlicher Würde.
»Zum Friedhof«, murmelte Mucius verstört.
»Aha, das hab ich mir doch gedacht. Zu welchem Friedhof?«
»Zum Armenfriedhof bei den Gärten des Sallustus«, erfand Julius rasch.
»Dann kehrt nur gleich wieder um.«
»Warum?« fragte Mucius beunruhigt.
»Wißt ihr denn nicht, daß alle Leichenzüge durch die Stadt während der Rennen verboten sind?« » . . . nein«, stotterte Mucius bestürzt. »So?« fragte der Polizist mißtrauisch. »Das weiß doch jeder Mensch.« »Es ist unsere erste Leiche«, sagte Publius. »Wo kommt ihr denn her?« »Von Capua«, antwortete Mucius. Ernannte den ersten Ort, der ihm einfiel.
»Was? Von so weit? Habt ihr denn keinen Friedhof dort?«
»Der ist wegen Überfüllung geschlossen«, rief Antonius. »Es wimmelt nur so von Mördern in Capua.« »Ich darf euch nicht helfen«, sagte der Polizist. »Macht, daß ihr wegkommt.« »Kannst du uns denn nicht wenigstens zur Triumphstraße durchlassen«, bat Mucius. »Die geht doch immer am Stadtrand entlang.«
»Dazu ist es zu spät«, sagte der Polizist. »Die Triumphstraße ist seit einer Stunde mit Mietwagen und Sänften so vollgestopft, daß nicht mal ein Aal durchschlüpft. Sie warten jetzt schon seit nachmittags auf das Ende der Rennen.«
»O weh, o weh, was machen wir bloß?«
Weitere Kostenlose Bücher