Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
noch immer verwirrt. »Wenn ich mir die bescheidene Frage erlauben darf, warum schleppt ihr Caius in einem Sarg mit euch herum?«
»Weil kein Mensch wissen soll, daß er gar nicht tot ist«, sagte Julius. »Selbst sein Vater nicht.«
»Der bringt ihn sonst gleich zum zweitenmal um«, rief Publius.
»Bei Pallas Athene, ich verstehe kein Wort mehr. Ich verlange, daß ihr mit gefälligst unverzüglich verratet, was das alles auf sich hat.«
Aber bevor jemand dazu kam, schlug Caius mit der Faust auf den Sargdeckel. »Wollt ihr mich nicht endlich einmal aus dieser Kiste rausholen?« schimpfte er.
Die Jungen drehten sich überrascht nach ihm um. Sie hatten vergessen, daß er immer noch in dem Sarg saß.
»Warum steht er nicht selber auf?« fragte Xantippus erstaunt.
»Er behauptet, er sei wie gelähmt«, sagte Flavius.
Xantippus war bestürzt. »Wie lange liegt der arme Junge denn schon im Sarg?« fragte er. »Seit vorgestern abend«, sagte Rufus. »Großer Himmel«, rief Xantippus. »Tragt ihn sofort in die Küche und hebt ihn raus. Wascht ihn in meinem Baderaum und massiert ihm die Beine. Sei werden eingeschlafen sein. Flavius, schlag zwei Eier in eine Schale, rühre sie mit einem Becher Milch und einem Löffel Honig an und gib es ihm nach dem Bad zu trinken. Mehr kann ich ihm nicht erlauben, nachdem er so lange gefastet hat. Anschließend verstaut auch noch den Sarg in dem Schuppen in meinem Garten, aber paßt auf, daß euch niemand dabei sieht. Mucius, du bleibst hier. Von dir will ich hören, woher ihr wußtet, daß Caius noch lebt, und vor allem, warum es niemand wissen soll. Ihr anderen vorwärts, marsch! Worauf wartet ihr noch?«
»Auf ein Wunder«, murmelte Julius.
Antonius, Flavius und Rufus seufzten tief. Sie waren wenig begeistert darüber, daß sie sich noch einmal mit dem Sarg abplagen mußten. Schließlich gehorchten sie doch, packten ihn wieder an den Henkeln und steuerten auf die Küche zu.
»Das ist aber unwiderruflich das letztemal, daß ich das Ding auch nur anschaue«, zeterte Publius, bevor er mit den anderen verschwand. Mucius setzte sich auf die Truhe an der Wand, und Xantippus schaute ihn erwartungsvoll an. »Na, wird's bald, Mucius?«
»Die Sache ist die, Meister Xanthos«, fing Mucius zu erzählen an. Er schilderte jetzt alles, was sie seit ihrer Gedenkfeier erlebt hatten. Von ihrem Besuch bei Claudia und der Katze Mopsa. Von ihrer Hetzjagd zum Mausoleum und von ihrem langen Marsch mit dem Sarg um die halbe Stadt und daß sie Caius in ihrer Höhle verstecken wollten, aber auf dem Marsfeld zusammengebrochen waren. Deswegen hätten sie ihn in die Schule gebracht. »Das ist alles, was ich zu erzählen habe, Meister Xanthos. Wir wissen immer noch nicht, was Caius eigentlich verbrochen hat«, schloß Mucius seinen Bericht.
»Hm«, brummte Xantippus. »Es ist in der Tat das Wichtigste, was wir erst einmal hören müssen von Caius. Wir werden ihm auf den Zahn fühlen. Ah, da kommt er ja auch.«
Caius erschien mit den anderen. Er fühlte sich schon bedeutend besser und wackelte, sogar ohne Hilfe, auf etwas unsicheren Beinen zu dem großen Sessel hin, der unter der Büste von Archimedes stand. Er plumpste mit einem Seufzer der Erleichterung darauf nieder und grinste breit. »Meister Xanthos, ich muß gestehen, heute bin ich zum erstenmal glücklich, in der Schule zu sein.«
»Na, das freut mich ja dann auch«, sagte Xantippus schmunzelnd. »Demnach hat dein schauriges Erlebnis wenigstens etwas Gutes hervorgebracht. Sprich, mein Sohn, was hast du angestellt, daß dein Vater dich zum Tode verurteilen mußte?«
Caius' Miene verdüsterte sich. Er starrte trübsinnig auf den Fußboden und antwortete nicht.
»Du brauchst dich nicht zu genieren, mein Bester«, ermutigte Xantippus ihn. »Es kann doch weiter nichts sein als wieder eine deiner berühmten Eseleien. Hast du vielleicht eine unüberlegte abfällige Bemerkung gemacht über den Emperor, die irgend jemand aufgeschnappt hat?«
»Nein«, brummte Caius.
»Oder hast du versehentlich eine seiner vielen Büsten auf dem Forum Romanum umgeworfen?« »Nein«, murmelte Caius. »Bei Scylla und Charybdis, was war es dann?« rief Mucius ungeduldig.
Caius hob den Kopf und schaute seine Freunde ängstlich an. Er zögerte, dann platzte er heraus: »Die Geheimpolizei beschuldigt mich, daß ich den Emperor ermorden wollte.«
Die Jungen versteinerten wie von einer Schlange gebissen. Was Caius eingestand, war das schwerste Verbrechen, das jemand begehen
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