Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
sonst hätten sie mich einfach gehen lassen. Ich hatte große Angst, deswegen flehte ich Capio an, daß man sofort Ben Gor holt. Aber leider ging das ja fehl. Nachdem mein Vater mir den Wein gegeben hatte, wurde ich bewußtlos. Ich kam erst wieder zu mir, als ich im Sarg lag.« Caius brach ab. Er faßte sich an die Kehle und schluckte ein paarmal.
Xantippus war gerührt. »Die Hauptsache ist, Caius, daß du erst einmal von dem Druck dieses falschen Verdachtes befreit wirst. Er muß wie das Schwert des Damokles über deinem Haupt hängen.«
»Das Schwert steckt schon halb drin in meinem Kopf«, krächzte Caius. Er machte einen schwachen Versuch zu lächeln.
»Wir werden jetzt gleich Ben Gor alarmieren«, sagte Mucius. »Die Rennen fangen erst in zwei bis drei Stunden an. Vorher hat er gerade noch Zeit, zum Emperor zu gehen.«
Caius erblaßte. »Sagtest du, die Rennen sind heute, Mucius?« fragte er mit zitternder Stimme.
»Ja. Warum?« rief Rufus erstaunt. »Heute ist Nome, der siebente Tag im Oktober, an dem das große Ereignis im Zirkus Maximus stattfindet. Du mußt es doch am besten wissen. Du bist doch beinah im Hades gelandet wegen der Eintrittskarten.«
»O weh, o weh«, lamentierte Caius. »Ich weiß nichts. Ich habe zwei Tage und Nächte in einem Sarg gelegen. Ich weiß nur, daß ich verloren bin. Wenn die Rennen heute sind, ist Ben Gor schon seit frühmorgens in den Ställen, um seine Pferde zu bewachen. Ihr kommt gar nicht an ihn ran. In die Ställe wird nämlich kein Mensch hineingelassen, der nicht die Parole kennt. Es stehen zwei bewaffnete Schildwachen vor dem Tor.«
»Vielleicht kann einer von uns sich an den Wächtern vorbeischleichen«, schlug Rufus vor.
Xantippus klopfte energisch auf seine Schreibtischplatte. »Keine unnötigen Heldentaten, bitte«, warnte er grimmig. »Damit setzt ihr nur alles aufs Spiel. Günstigerweise steht uns ein anderer Weg zur Verfügung. Schon der große griechische Philosoph Plato hat gesagt: Man muß von zwei Übeln das kleinere wählen. Übrigens habe ich euch im vorigen Semester viel von ihm erzählt.« Xantippus schaute seine Schüler erwartungsvoll an.
Die Jungen sagten nichts. Sie erinnerten sich an diesen Mann, wußten aber nicht, wie er mit seinen größeren und kleineren Übeln ihnen helfen könnte.
Xantippus seufzte ergeben, dann fuhr er fort. »Das kleinere Übel in unserem Falle ist, daß ihr halt bis zum Ende der Rennen warten müßt.«
»Das ist ja das Furchtbare, Meister Xanthos«, rief Caius verzweifelt. »Nach den Rennen reist der Emperor sofort nach Capri, hat mir Ben Gor erzählt. Dort bleibt er manchmal ein ganzes Jahr und läßt sich von niemandem sprechen. Er haßt Rom und will nichts mehr sehen und hören davon.«
»Müssen die Götter uns immer Pfeile in den Rücken schießen«, klagte Flavius. »Es sind nicht die Götter, es sind die bösen Geister der Hölle, die Caius verderben wollen«, behauptete Antonius. Auch Xantippus war entmutigt. »Die Reise des Emperors ist allerdings ein erschwerender Faktor«, seufzte er.
»He, Caius«, rief Mucius erregt. »Ihr seid doch so befreundet mit Ben Gor. Vielleicht weißt du jemand in deiner Familie, der die Parole kennt?«
»Nein. Aber er hat sie mir anvertraut«, sagte Caius.
»Warum hast du uns nicht gleich verraten, daß du die Parole kennst?« nörgelte Publius. »Weil ich sie vergessen habe«, murmelte Caius zerknirscht. »Himmel, das schlägt dem Faß den Boden aus«, rief Julius. »Ruhe!« verlangte Xantippus. »Caius, wie lange ist es her, seit Ben Gor dir die Parole gesagt hat?«
Caius starrte grübelnd ins Leere. »Es kann vorige Woche gewesen sein, Meister Xanthos. Ich weiß nur, daß er mich und Claudia eingeladen hatte, ihn in den Ställen zu besuchen. Claudia bat ihn, seine berühmten arabischen Hengste sehen zu dürfen. Sie ist doch verrückt mit Pferden.«
»Denk jetzt einmal scharf nach, Caius«, redete Xantippus ihm zu. »Dir muß die Parole wieder einfallen, vielleicht hängt dein Leben da-von ab.«
Caius raufte sich die Haare. »Man hat mich erdrosselt; man hat mir mit einem Schwert auf den Kopf gehauen; mein Vater hat mich vergiftet; wie soll ich mich da an ein einzelnes Wort erinnern können. Ich zermartere mir mein Gehirn, aber mir schwant nur dunkel, daß es ein Name war. Ich glaube, der Name einer Frau, die eine grauenvolle Schlacht gewonnen hat. Es kann aber auch ein Mann gewesen sein, der beinah ertrunken ist.« Caius verstummte und starrte wieder brütend vor
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