Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
hinter mir zutrat? »Marsch, raus mit den Schweinehunden«, kommandierte der Beamte.
Die Prätorianer stießen die Gefangenen vor sich her auf die Straße hinaus. Die Jungen wurden wie Schlachtvieh auf einen offenen Pferdewagen geworfen und landeten in einem Haufen auf dem Boden. Es goß noch immer in Strömen, und sie waren im Nu bis auf die Haut durchnäßt. Die Fahrt ging über das Forum zum Palatinus hinauf und durch den Garten bis zum Palast des Emperors. Im Palast wurden sie eine Treppe hinuntergehetzt und mit Fußtritten in ein Verließ getrieben.
Es war ein dunkler, kalter Kerker. Unter der Decke flackerte nur eine kleine Öllampe. Es stank nach Unrat und Verwesung. An den vier nackten Wänden rieselte das Wasser herunter.
Die Jungen kauerten sich auf den Steinfußboden und lehnten sich erschöpft gegen die Mauer. Sie waren klitschnaß und froren. Der Rücken schmerzte sie von den Faustschlägen und Fußtritten, und eine eisige Angst verkrampfte ihnen den Magen. Sie starrten eine lange Zeit wortlos vor sich hin. Jeder war in sich selbst versunken.
Caius war der erste, der seine Sprache wiederfand. »Hier haben sie mich damals auch reingeworfen«, sagte er flüsternd. »Na, jetzt können wir dir ja Gesellschaft leisten im Krokodilteich«, sagte Publius, mit einem Anflug von Galgenhumor. »Es ist alles meine Schuld«, stöhnte Mucius, noch immer völlig verzweifelt. »Ich hätte den Schlüssel nicht vergessen dürfen.«
»Wir hätten ja auch daran denken können«, sagte Rufus.
»Es war eine katastrophale Dummheit von uns«, sagte Julius.
»Der Schlüssel ist der Schlüssel zu unserem Grab«, fügte Publius hinzu. Eine Weile schwiegen sie wieder, von Furcht gepackt. »Die Hexen haben an allem Schuld«, erklärte Antonius. »Zum Glück haben sie Xantippus nicht in seiner Geheimkammer entdeckt«, sagte Rufus. »Vielleicht findet er einen Weg, uns zu helfen.«
»Mach dir keine Illusionen«, sagte Julius, kurz auflachend. »Diesmal ist auch Xantippus machtlos. Claudia ist weg, und von allein kommt er nie und nimmer auf die Parole. Wir sind hoffnungslos dem Tode geweiht.«
Die Jungen verstummten aufs neue. Dicke Tropfen klatschten in regelmäßigen Abständen auf den Boden. »Wenn wenigstens unsere Eltern wüßten, wo wir sind«, stammelte Flavius. »Sie glauben, wir sitzen in der Schule.« »Sei froh, daß sie nichts wissen«, sagte Rufus. »Sie würden sonst nur mit in unser Elend gezogen werden.« »Warum lassen diese Mörder uns warten«, sagte Mucius haßerfüllt. »Sie sollten lieber gleich mit uns Schluß machen.« »Sie werden erst den Emperor fragen, auf welche Weise er uns umgebracht haben möchte«, sagte Publius hüstelnd.
»Wen die Götter lieben, der stirbt jung«, zitierte Julius tonlos.
»Ich mag aber nicht sterben«, schluchzte Flavius. Er vergrub den Kopf in beiden Armen. »Ruhe!« zischte Mucius erbleichend. »Ich glaube, sie kommen.« Draußen im Gang ertönten schwere Schritte. Sie kamen unaufhaltsam näher. Die Jungen preßten sich wie schutzsuchend gegen die Mauer und starrten in Panik auf die Tür. »Möchte ein Rächer aus unseren Gebeinen erstehen«, murmelte Mucius beschwörend. »Mach sofort auf, du erbärmlicher Söldling«, erscholl plötzlich eine gebieterische Stentorstimme draußen. Die Tür flog auf, und ein herkulisch gebauter junger Mann stürmte herein. Caius schoß hoch »Ben Gor . . .!!« schrie er, fast wahnsinnig vor Freude.
20. Kapitel
Ben Gor
Die Jungen waren sprachlos über Ben Gors plötzliches Auftauchen. Woher wußte er, daß sie im Kerker saßen? Es mußte ein Wunder geschehen sein. Ihre Fassungslosigkeit verwandelte sich schnell in überströmende Freude. Nun würden sie bald nach Hause gehen, glaubten sie. Sie verschlangen ihn mit ihren Augen, als ob der Gott Apollo vor ihnen erschienen sei.
Ben Gor wirkte noch eindrucksvoller als auf den überlebensgroßen Bildern, die seit vielen Wochen vor den Rennen in ganz Rom an allen Säulen und Häusermauern prankten. Er war groß gewachsen, hatte ein scharf geschnittenes Gesicht, aber mehr ritterlich als anmaßend; und schwarze Locken fielen ihm bis auf die Schultern. Seine Augen strahlten Energie und Zuversicht aus. Er war schon für das Rennen gekleidet: eine kurze Tunika, die seine muskulösen Arme und Beine zeigte; ein Seidencape in der grünen Farbe des Reitstalls des Emperors, und in einem breiten Gürtel mit einer goldenen Schnalle steckte der Dolch, den alle Rennfahrer trugen, um rasch die Zügel
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