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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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Herren, holt unverzüglich den Mantel mit dem Brief! Er liegt im Keller einer Gladiatorenschule, gegenüber einer Seifenfabrik. Das Haus ist in der dritten Seitengasse, die von der Langen Straße zur Semitastraße geht!"
    Die Jungen waren baff.
9. Kapitel
Von Schwerterklirren und Mühlsteinen
    „Wie hast du nur herausgefunden, wo der Keller ist, Meister Xanthos", rief Flavius beinahe ehrfürchtig.
    „Udo hat eine gute Beobachtungsgabe", sagte Xantippus. „Er hat mir durch zwei wertvolle Anhaltspunkte geholfen. Ihr erinnert euch hoffentlich noch: Wenn man in einem unregelmäßigen Dreieck die Größe zweier Winkel weiß, weiß man auch die Größe des dritten."
    Die Jungen nickten hastig zustimmend. Dreiecke waren Xantippus' Lieblingsthema.
    „Außerdem kam mir zustatten, daß ich Rom und Umgebung genau kenne." - Er unterbrach seine Beweisführung und zeigte mit dem Stock auf eine Ecke der Höhle. „Ich sehe eure Schulsachen dort unordentlich in einem schmutzigen Winkel liegen. Bringt mir sofort ein Stück Kreide!"
    Antonius sprang auf und brachte Xantippus einen Kreidestift. Er trennte sich ungern davon; er hatte eigentlich vorgehabt, auf dem Nachhauseweg mehrere Gartenmauern mit seinem Namen zu verschönern.
    „Paßt jetzt gut auf!" fuhr Xantippus fort. Er trat an eine flache Felswand und kritzelte mit der Kreide ein M darauf. „Das M hier ist der zweite Meilenstein in der Via Salaris. Er steht dicht bei der Porta Salaris. Die Porta Salaris ist das große, offene Tor, von dem Udo erzählt hat. Ein anderes Tor gibt es dort nicht. Gleich dahinter beginnt der Friedhof."
    Xantippus schrieb ein F auf die Felswand. Dann zog er einen großen Kreisbogen um das F. „Der Friedhof ist nach Norden, Osten und Süden von spärlich besiedelten Feldern umgeben. Udo kann also auf seiner Flucht nur nach Südwesten gerannt sein, und zwar die Lange Straße hinunter, in der das Stadtviertel mit den neuen, hohen Mietskasernen beginnt. Ich bin im vorigen Monat dort gewesen und hab' sie mir angeschaut. Sie stehen zwischen dem Viminalis und dem Quirinalis. Nun zu den Geräuschen, die Udo gehört hat. Er hat ganz in der Nähe Pferde wiehern hören, und er hörte auch ein mahlendes Geräusch. Das ist die bekannte Getreidemühle in der Gegend; die Mühlsteine werden von Pferden gezogen. Daher das Wiehern. Jetzt wußte ich also schon, daß das Haus mit dem Keller, in dem er geschlafen hat, neben der Getreidemühle stehen muß. Die Frage bleibt: Ist es das Haus vor oder nach der Mühle, wenn man von der Langen Straße kommt? Deswegen hab' ich ihn nach dem Mimosenduft gefragt. Das Haus vor der Mühle liegt nämlich schräg gegenüber einer Seifenfabrik. Sie gehört dem freigelassenen Sklaven Menellis. Er ist damit reich geworden, daß er eine nach Mimosen duftende Seife für zarte Damenhände herstellt. Udo sagt, daß ihm beinahe übel geworden sei von dem Geruch. Der Wind kam nämlich aus dem Westen heute nacht und wehte den Mimosengeruch direkt in den Keller des gegenüberliegenden Hauses."
    Julius meldete sich. „Verzeihung, Meister Xanthos, woher weißt du mitten in der Nacht, woher der Wind kommt?"
    „Weil ich mitten in der Nacht aufstehen mußte, um die Gardinen festzumachen, die in mein Zimmer flatterten", sagte Xantippus. „Das Fenstergehtnach Westen. Daher weiß ich mitten in der Nacht, woher der Wind kommt. Bist du jetzt zufrieden?"
    „Ganz gewiß, ganz gewiß, Meister Xanthos", murmelte Julius.
    „Freut mich", sagte Xantippus.
    „Was hat aber das Schwerterklirren zu bedeuten, das Udo gehört hat? Und das Geschrei: ,Heil, Emperor, wir, die dem Tode geweiht sind, grüßen dich!' ?" fragte Mucius.

    „Das hat mir einen Augenblick Schwierigkeiten gemacht", gab Xantippus zu. „Es gibt nur eine Lösung: Über dem Keller ist eine Schule für Gladiatoren. Mehrere Gladiatoren haben sich im Schwerterfechten geübt, und irgendeiner von ihnen hat versucht, den Satz auswendig zu lernen: ,Heil, Emperor, wir, die dem Tode geweiht sind, grüßen dich!' Gladiatoren werden als Helden angesehen, sind aber keine Geisteshelden. Der Tradition folgend, müssen sie, um den Emperor zu ehren, vor jedem Zweikämpf in der Arena vor seine Loge treten und rufen: ,Heil, Emperor, wir, die dem Tode geweiht sind, grüßen dich!'"
    „Ich verstehe nur eines nicht, Meister Xanthos", sagte Publius. „Wieso konnte Udo alle diese Geräusche hören ? Um Mitternacht schlafen doch alle Leute?"
    „Du bestimmt", knurrte Xantippus. „Du schläfst ja sogar auch

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