Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
abbekommen wie Udo", sagte er. „Das wird eine ganz schöne Beule." „Macht nichts", sagte Publius. „Die Hauptsache ist, du hast den Mantel."
„Gib den Brief her", sagte Caius.
Mucius kniete nieder, rollte den Mantel auf und griff in die rechte Tasche. Er brachte eine Geldbörse zum Vorschein. „In dieser Tasche ist nur Udos Geld", murmelte er. Er langte in die andere Tasche und zog die Hand leer heraus. „In dem Mantel ist kein Brief', sagte er und guckte die anderen verdattert an.
11. Kapitel
Jetzt sind sie so schlau wie zuvor
Xantippus untersuchte Udos Mantel, den er vor sich ausgebreitet hatte, indem er sorgfältig das Futter aus Schaffell abtastete.
Die Jungen waren aufgeregt zu ihm hineingestürmt wie die Griechen in die Feste Troja und hatten den Mantel auf den Tisch geworfen. Jetzt warteten sie ungeduldig darauf, was er zu dem Fehlschlag mit dem Brief sagen würde.
Xantippus hatte sich kurz vorher in seinem Arbeitszimmer an den Schreibtisch gesetzt. Es war gleichzeitig das Schlafzimmer, in dem die Jungen ihn damals gefesselt und geknebelt im Schrank eingesperrt gefunden hatten.
„Eine unerfreuliche Wendung, daß der Brief nicht im Mantel ist", murmelte Xantippus. Er verstummte und zupfte sinnend an seinem Spitzbart.
Draußen ratterte, schrill klingelnd, die Bezirksfeuerwehr vorbei. In Rom brannte es jeden Tag irgendwo. Niemand regte sich sonderlich darüber auf, außer den Leuten, deren Haus in Flammen aufging. Das Klingeln erstarb in der Ferne. Gleich darauf klickten eilig die nägelbeschlagenen Stiefel mehrerer Polizisten auf das Pflaster; die Wachleute rannten wahrscheinlich hinter der Feuerwehr her.
Die Jungen schauten nicht einmal zum Fenster hinaus. „Udo hat uns alles nur vorgeschwindelt", sagte Caius. Caius mochte Sklaven nicht, seitdem ihm einmal einer einen Frosch ins Bett gesetzt hatte und ein anderer mit einer Teufelsmaske auf ihn zugesprungen war. Es war allerdings am Tag der Narrenfreiheit gewesen, der jedes Jahr Ende Dezember gefeiert wurde.
„Unsinn", sagte Xantippus. „Udo hat nicht gelogen. Ihr habt doch den Mantel im Keller gefunden, nicht wahr? Es ist eher möglich, daß Udo, ohne es zu wissen, den Brief auf seiner Flucht verloren hat. Publius, du bist, wie ich gehört habe, ein berühmter Läufer! Renn in die Höhle, und bring Udo her! Ich muß mit ihm sprechen."
„Meister Xanthos", sagte Julius, „Udo sollte sich lieber nicht blicken lassen. Der Exgladiator sucht ihn vielleicht überall."
„Wir könnten Udo in einer Sänfte transportieren", schlug Antonius vor. „Man kann alle möglichen Sänften mieten an der Aemiliusbrücke. Man bekommt sie bedeutend billiger, wenn man sie selber trägt."
„Das dauert zu lange", sagte Xantippus. Er stand entschlossen auf. „Wir werden zu Udo gehen. Gebt mir meinen Stock!"
Die Jungen stoben auseinander und suchten in allen Ecken nach dem Stock, aber ihre Bemühungen waren überflüssig. Der Vorhang zwischen dem Schulraum und Xantippus' Wohnung wurde beiseite geschoben, und ein seltsames Wesen klopfte an den Türrahmen. Das Wesen hatte um den Kopf einen Lappen gewickelt, aus dem nur die Nase herausschaute.
„Darf ich hineinkommen, edler Meister?" fragte das Wesen.
„Udo — !" riefen die Jungen überrascht aus.
„Tritt ein, Udo!" sagte Xantippus. „Du kommst wie gerufen."
Udo riß sich den Lappen ab. „Ich hatte mir dieses dicke Tuch über den Kopf gehängt, um unterwegs nicht erkannt zu werden", erklärte er. „Es war nicht gerade angenehm in der Hitze, aber ich ziehe die Wärme des Lebens der Kälte des Hades vor."
„Udo", sagte Mucius streng, „wir haben keinen Brief in deinem Mantel finden können."
„Deswegen komme ich, junger Herr", sagte Udo. „Ihr hattet gesagt, ihr wolltet zuerst mit dem Mantel in die Höhle kommen. Dann hätte ich euch gezeigt, wo der Brief ist."
„Der Brief ist doch in dem Mantel?" rief Rufus.
„Er ist innen im Kragen eingenäht", sagte Udo. „Und er ist nicht auf Papyrus, sondern auf Leinwand geschrieben, damit man ihn durch das Futter nicht spürt."
„Ah, so - !" brummte Xantippus hüstelnd. Er schien etwas verschnupft zu sein, daß er nicht von selber auf die Idee gekommen war. „Flavius, hol ein Messer aus der Küche!"
Flavius flitzte hinaus.
„Warum hast du den Brief eingenäht?" fragte Julius.
„Es ist eine lange Reise vom Rhein bis zum Tiber, junger Herr. Wenn ich den Brief verloren hätte, wäre ich selber verloren gewesen. Damals ahnte ich noch nicht, daß
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