Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
die schwellenden Kissen. „Hier stehe ich nicht mehr auf", erklärte er seufzend.
„Mir tun auch die Füße weh", klagte Flavius. Er setzte sich auf den Rand des Springbrunnens. „Wir sind aber auch ganz schön herumgehetzt seit heute morgen", sagte Publius.
„Ich möchte wissen, wo Claudia bleibt", sagte Rufus.
„Wenn sie nicht bald kommt, mache ich mich selber auf die Suche nach Caius", sagte Mucius grimmig.
„Ich bin ja schon hier!" rief Claudia, fröhlich lachend. Sie kam vom Garten herein, begleitet von zwei Sklavinnen und einer ihrer Gouvernanten, der jungen Griechin Lysis.
Antonius und Flavius sprangen hastig auf. „Bei Juno!" rief Antonius. „Du kommst wohl gerade von einer Hochzeit, Claudia?"
Auch seine Freunde staunten. Claudia war festlich gekleidet. Die Jungen hatten sie so noch nie gesehen. Sie trug eine weiße Stola aus echter Seide, die mit Goldstreifen eingefaßt war, und weiße Sandalen, von purpurnen Schnüren durchflochten, deren lange Enden kreuzweise um ihre Knöchel geschlungen waren. Ihr Haar war auf griechische Weise frisiert: kunstvoll gerollte Locken, hochgehalten durch ein silbernes Band, und das Ganze mit Goldpuder bestreut. Obendrauf steckte ein Kamm aus Perlmutter, verschwenderisch mit Rubinen und Saphiren geschmückt.
An ihrer linken Hand blitzte ein Diamantring, und an beiden Armen schimmerten goldene Reifen. Um ihren Hals hing eine Kette aus gehämmerten Bronzeplättchen. Ein Duft von orientalischen Wohlgerüchen ging von ihr aus. Ihre Fingernägel waren manikürt, die Fußnägel rot lackiert, und sogar ihre Wimpern waren künstlich verlängert.
Claudia war vor kurzem zwölf Jahre alt geworden. Obwohl sie noch ein junges Mädchen war, wurde sie seit dem Tode ihrer Mutter von allen Sklaven widerspruchslos als Herrin des Hauses anerkannt und verehrt. Auch die Jungen mochten sie gern. Sie hatten sie früher oft mitspielen lassen, als sie alle noch jünger gewesen waren.
„Warum schaut ihr mich so an ?" fragte Claudia. „Weil wir überwältigt sind", sagte Publius grinsend. „Du siehst aus wie die Königin Cleopatra an ihrem Krönungstag." „Und du duftest wie die Seifenfabrik des Menellis", sagte Mucius scherzend.
Claudia lachte. „Ihr müßt entschuldigen, daß ich so aufgeputzt bin", sagte sie. „Aber ich muß leider jeden Monat einmal meine Großtante besuchen. Sie ist die Mutter des Emperors. Sie besteht darauf, daß ich mich prinzessinnenhaft anziehe, um ihren Sohn, den Emperor, zu beeindrucken, falls er mich zufällig sieht."
„Selbst die Götter auf dem Olymp würden sich über deinen Anblick freuen", sagte Rufus. Seine Freunde lachten. Rufus sprach auffallend oft und viel von Claudia.
„Das ist aber fein, daß ihr gekommen seid", sagte Claudia. „Wir haben ein neues Schwimmbad im Garten. Und denkt euch, es hat einen richtigen kleinen Wasserfall. Es ist doch schrecklich heiß heute. Wir könnten hineinspringen und uns abkühlen."
„Ein andermal mit Wonne", sagte Mucius. „Aber wir haben jetzt keine Zeit. Wo ist Caius ? Wir müssen ihn sofort sprechen, in einer ungemein wichtigen Angelegenheit."
„Caius ist weggerannt", sagte Claudia. „Als ich vor ein paar Minuten in meiner Sänfte ankam, sah ich ihn und Tiro, den Privatsekretär meines Vaters, aus der Gartenpforte herausstürzen, als ob sie von bösen Geistern verfolgt würden. Ich rief ihnen zu, aber sie waren so aufgeregt, daß sie gar nicht hinhörten."
„Ihr himmlischen Mächte!" stieß Julius hervor. „Wir sind zu spät gekommen."
„Unsinn", sagte Mucius. „Wir können ihnen den Weg abschneiden, wenn wir den Bergabhang hinunterklettern. Dann erreichen wir früher die Stadtpräfektur als sie. Rasch, Publius, hol unsere Sandalen aus der Empfangshalle! Wir werden dann durch den Garten rennen, das ist näher."
Publius flitzte hinaus. Claudia hatte mit wachsendem Erstaunen zugehört. „Warum ist es so wichtig, daß ihr Caius abfangt?" fragte sie verstört. „Wir können dir das jetzt nicht alles so rasch erklären", sagte Julius.
„Es geht um Leben und Tod", sagte Antonius düster.
Claudia riß erschrocken die Augen auf.
„Wie?" murmelte sie. „Wer ist dieser Tiro?" fragte Julius mißtrauisch. „Kann man ihm vertrauen?"
„Oh, ja!" sagte Claudia, eifrig nickend. „Mein Vater hat seinen früheren Sekretär entlassen und Tiro dafür genommen. Tiro ist kein Sklave, er ist ein Geisel. Ihr wißt ja, daß Geiseln niemals als Sklaven gelten. Tiro ist ein junger Fürst aus Armenien.
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