Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Udo ist", sagte Rufus. „Caius ist ein echter junger Römer. Er wird sich eher ermorden lassen, als das Leben seines Vaters zu gefährden. Genau wie ich damals meinen Vater nicht verraten habe."
Claudia sank vor Schreck auf einen Lehnsessel. „Das Leben meines Vaters ist gefährdet?" wiederholte sie angsterfüllt. „Was hat das zu bedeuten ?"
Ein Sklave sprang herbei und schob ihr dienstbeflissen einen niedrigen Bronzehocker unter die Füße. Zwei Araberjungen wedelten ihr mit großen Fächern aus Straußenfedern Luft zu.
„Mucius", fuhr Claudia fort, „ich verlange, daß du mir sofort die volle Wahrheit sagst!"
Mucius zwinkerte ihr zu und deutete mit einer Kopfbewegung zu den Sklaven. Nicht allen Sklaven war zu trauen; manche hatten eine lose Zunge. Claudia verstand ihn und schickte die Sklaven und Sklavinnen hinaus. Nur Lysis durfte bleiben. Sie hatte Claudia großgezogen und war ihr eher ältere Schwester als eine Gouvernante.
Mucius erzählte von der Verschwörung, von Udo und dem Brief. „Aber Fortuna ist uns hold, Claudia. Die Verschwörer wissen nichts von deinem Vater", schloß er.
Doch das beruhigte Claudia nicht. „Mein armer Vater!" klagte sie und begann zu weinen.
Die Jungen verstummten betroffen.
Claudia wischte sich mit einem Taschentuch die Tränen ab, wobei sie sich die künstlich verlängerten Wimpern über ihre Wangen rieb. „Weswegen will man denn meinen Vater umbringen?" fragte sie, noch immer schluchzend.
„Das wissen wir leider nicht", sagte Rufus stockend. Er war von Claudias Tränen tief erschüttert.
„Tiro, du mußt es doch wissen ?" fragte Claudia.
„Ich weiß es auch nicht, Herrin", beteuerte Tiro. „Es muß ein hohes Staatsgeheimnis sein, sonst hätte unser Herr es mir anvertraut. Ich glaube, daß er irgendwelche bedrückenden Sorgen hat, denn er ist seit einiger Zeit verschlossener als sonst, als ob er unter einem schweren Druck stünde. Es muß etwas mit der Verschwörung zu tun haben, vermute ich. Wir können nur hoffen, daß Caius schweigt."
„Aber was geschieht mit meinem Bruder, wenn er sich weigert auszusagen?" fing Claudia wieder an.
„Du mußt nicht gleich das Schlimmste annehmen, Claudia", sagte Flavius beruhigend. „Caius wird hoch und heilig schwören, daß er nicht weiß, wo Udo ist. Er wird behaupten, Udo sei ausgerückt."
„Ich würde einfach erzählen, daß Udo in den Tiber gefallen ist", begann Antonius lebhaft. „Nein, ich würde erzählen, daß er von einer Hexe in eine Kröte verwandelt worden ist. Es gibt so viele Kröten; woher sollen die Verschwörer wissen, welche die richtige ist! Oder. . ."
„Hör auf!" unterbrach Mucius ihn. „Ihr vergeßt, selbst wenn Caius in höchster Not aussagt, wo Udo ist, nützte das den Verschwörern nichts mehr. Udo ist inzwischen von Xantippus in der geheimen Kammer versteckt worden. Aber wir müssen sofort Xantippus verständigen, damit er gewarnt ist. Er sollte sich vorläufig auch verstecken, bei einem Freund oder sonstwo. Nur nicht in der Schule."
„Xantippus muß sich verkleiden!" rief Antonius aufgeregt. „Ich werde ihm eine Perücke von unserem Frisör besorgen. Alle Frisöre verleihen Perücken. Xantippus setzt sich die Perücke auf und schneidet sich auch den Bart ab. Dann soll er nach Pompeji fliehen und sich im Krater des Vesuvs verkriechen. Noch sicherer wäre es, wenn er mit dem nächsten Schiff nach Kreta segelte und sich in dem berühmten Labyrinth des Minotaurus verkriecht. Dort findet ihn nie jemand."
„Dafür bin ich auch", sagte Publius.
„Halt den Mund!" fuhr Mucius ihn an. „Renn lieber sofort zu Xantippus, und erzähl ihm alles!"
„Das ist überflüssig!" rief Julius.
„Warum ?" riefen die anderen.
„Der Brief-!" stieß Julius hervor. „Caius hat doch den verhängnisvollen Brief bei sich. Wenn die Verschwörer den Brief bei ihm finden, brauchen sie Udo gar nicht mehr. Es steht alles drin, was sie wissen wollen."
„Großmächtiger Herkules!" stöhnte Mucius. „An den Brief hab' ich nicht mehr gedacht."
„Vinicius ist verloren", flüsterte Flavius vor sich hin.
„Und Caius auch", murmelte Rufus, mit einem scheuen Seitenblick auf Claudia.
Claudia schaute mit großen, erschrockenen Augen von einem zum andern.
„Warum sollen die Verschwörer auf die Idee kommen, daß Caius den Brief bei sich hat?" sagte Publius. „Caius ist nur irgendein Junge für sie, der zufällig Udo kennt."
„Warum? Warum?" äffte Julius ihn nach. „Der Exgladiator ist sicherlich
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