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Calendar Girl

Titel: Calendar Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Hille
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quälen. Ich drücke sie noch einmal fest an mich und sage: »Du passt doch jetzt auf mich auf. Ich habe keine Angst.«
    Sie lächelt und schiebt mich weg, denn die Haushälterin kommt und meldet mürrisch, dass mein Taxi vor der Tür wartet.

33
    Ich überstehe die Doppelstunde wie im Nebel. Ich dusche, schütze Kopfschmerzen vor, damit ich mit Ronnie von der Theke kein Quätschchen mehr halten muss und lasse mir ein Taxi rufen. Nicht, dass ich Sorge hätte, auf dem Nachhauseweg ermordet zu werden ... na gut, ich habe Angst. Aber hauptsächlich bin ich vollkommen erledigt und kann kaum noch kriechen.
    In Ellis Wohnung riecht es nach ihrem Parfum und nach einem herben Deodorant, das sicher ihrem Chef gehört. Ich lehne eine Weile an der geschlossenen Wohnungstür und lausche der Stille in der Wohnung und in meinem Inneren. Ich fühle mich so leer und ausgehöhlt wie ein Halloweenkürbis, nur leider nicht so gut gelaunt und beleuchtet.
    Ich bin zu erledigt, um irgendwas anderes zu tun, also gehe ich ins Bett. Elli hat einen Fernseher im Gästezimmer, ich zappe lustlos ein wenig herum, dann schalte ich die Kiste aus und versuche zu schlafen. Das gelingt mir allerdings nicht, in meinem Kopf tanzen die Gedanken wie ein wildgewordener Mückenschwarm. Ich setze mich auf die Bettkante und wühle auf der Suche nach einer Ablenkung in meinem Rucksack herum. Mein Handy zeigt keine Anrufe. Ich blättere durch meine Kontakte und Fokkos Nummer lächelt mich an. Der Kloß in meinem Hals ist so dick und schwer, dass ich ihn kaum schlucken kann. Ich brauche jetzt jemanden, bei dem ich mich ausheulen kann. Genau jetzt ist Fokko nicht nur nicht da, er ist auch noch außerhalb des Ereignishorizontes. Ausgerechnet er.
    Meine Finger haben den Rufknopf gedrückt, ehe mein Gehirn sich dazu äußern kann. Leg auf, befiehlt mir die Vernunft. Leg jetzt sofort auf!
    »Ja?«, meldet sich die vertraute tiefe Stimme und ich hole zitternd Luft. »Caro? Bist du das? Wo bist du?« Er klingt gehetzt und misstrauisch.
    »Bei meiner Schwester«, bringe ich heraus und beiße mir auf den Daumen, um nicht loszuheulen. »Fo, Philipp ist tot! Und sie suchen nach dir!«
    Er schweigt, ich höre ihn atmen. Dann lacht er kurz und wütend. »Ich weiß, dass sie mich suchen«, sagt er. »Ich bin gewarnt worden. Nicht von dir, wie ich anmerken möchte!«
    Ich schlucke und umklammere das Handy. »Es war ... du weißt nicht, was hier los ist!«, verteidige ich mich. Es klingt jämmerlich und kann nicht verbergen, dass ich mich schäme. »Fo, ich vermisse dich so schrecklich«, bricht es aus mir heraus, ehe der vernünftige Teil meines Gehirns das verhindern kann.
    Er schweigt wieder. Ich höre das Knistern der Verbindung und fernes Kindergeschrei. Er scheint in einem Raum mit geöffnetem Fenster zu telefonieren. Sein Schweigen lässt mich traurig werden. »Es tut mir leid«, sage ich. »Ich denke nur an mich und nicht an dich.«
    »Caro«, sagt er und klingt beinahe hilflos, »das ist alles sehr schwierig im Moment.«
    »Das ist es«, stimme ich ihm zu. Ich weine, aber meine Stimme ist glücklicherweise fest. »Wo bist du?«
    Schweigen. »Warum fragst du?«, will er dann wissen. Wieder höre ich das Misstrauen, das seinen Tonfall färbt. Es tut mir weh.
    »Das ist keine Falle, Fo. Ich leg dich nicht rein. Das würde ich nie tun!«
    »Auch nicht, wenn ich ein Mörder wäre?«
    Es verschlägt mir kurz die Sprache. Seine Stimme ist so bitter, so rau und gleichzeitig so kalt, dass ich friere.
    »Warum fragst du so was?«, frage ich zurück.
    Er stößt einen Laut aus, der zwischen Lachen und einem zornigen Ausruf changiert. »Caro, ich verstecke mich wie eine gejagte Ratte«, sagt er. »Du hast mich nicht nur nicht gewarnt, du hättest mich ins offene Messer rennen lassen. Vor unserer Wohnung steht ein getarnter Einsatzwagen, überall rennen Bullen mit meinem Foto rum und warten, dass ich die Nase aus dem Loch stecke. Was erwartest du von mir?«
    »Nichts«, sage ich matt. »Sorry, Fo. Ich hätte nicht anrufen sollen.«
    Seine Stimme verliert etwas von der Härte, die mich so erschreckt hat. »Du klingst ziemlich fertig«, sagt er. »Kümmert sich deine Schwester gut um dich?«
    Er weiß nicht viel von meiner Familie. Eigentlich gar nichts. Ich erzähle nicht gerne von früher, weil so viele schreckliche Erinnerungen an all dem kleben. Ich schlucke. »Sie ist bei der Kripo«, sage ich.
    Er schweigt verblüfft, dann lacht er, und sein Lachen klingt so ganz und gar nach

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