Calendar Girl
Namen fast. »Du willst doch nicht behaupten, Philipp hätte die Morde begangen?
»Davon rede ich doch die ganze Zeit! Hast du mir nicht zugehört?« Sie sieht mich sauer an.
Ich lege den Kopf gegen das Kissen und atme. Ein ... aus ... ein ... aus. Philipp. Das ergibt so gar keinen Sinn. Er war doch nie im Leben jemand, der herumläuft und Menschen umbringt. Aber wie viel Sinn ergibt es, dass Fo derjenige sein soll? Noch weniger? Genauso wenig?
»Und Yoshis Personenbeschreibung?«, frage ich.
Meine Schwester gibt einen Schnaufer von sich. »Er hat behauptet, der Typ hätte ihm die Nase gebrochen. Seine Nase war wahrscheinlich auch mal gebrochen, früher. Da laufen anscheinend zwei Erinnerungen in seinem Kopf durcheinander. Die Aussage ist nicht viel wert.«
Ich schließe die Augen. Philipp ist tot. Fokko lebt. Ich sollte dankbar sein, glücklich - ich sollte erleichtert sein.
»Ich muss mich hinlegen«, sage ich und entwirre meine Gliedmaßen.
Elli sieht mich mitfühlend an. »Brauchst du noch irgendwas?«, fragt sie. »Und stört es dich, wenn ich den Fernseher anmache? Ich will noch auf Jens warten.«
Ich schüttelte den Kopf auf beides und gehe ins Bad. Dann schließe ich die Tür meines Zimmers hinter mir und greife nach meinem Handy. Dann zögere ich. Was, wenn das ein Trick ist? Es könnte doch sein, dass der gerissene Jens Herbers genau das vorhergesehen hat: Dass ich Fo anrufe, sobald die Entwarnung gegeben wurde, und ihn aus seinem Versteck locke. Ich sehe die kühlen grauen Augen des Hauptkommissars vor mir, wie sie mich ausdruckslos und abwartend mustern.
Aber Elli würde das doch nie im Leben tun, oder? Würde sie mich so belügen?
Ich wähle Fokkos Nummer und warte mit klopfendem Herzen, dass er das Gespräch annimmt.
»Ja?«, sagt er wieder. »Caro? Bist du allein?«
»Ja«, flüstere ich. »Fo, es war Philipp. Aber bleib trotzdem noch, wo du bist, ich bin nicht sicher, ob sie mich damit reinlegen wollen. Dich, besser gesagt.«
Ich höre seinem Schweigen die Verwirrung förmlich an. »Was?«, sagt er dann. Müde, so müde. Er klingt so erledigt wie ich mich fühle. Ich bemühe mich, zu wiederholen, was Elli mir erzählt hat. Er lauscht, ohne mich zu unterbrechen, dann seufzt er schwer.
»Ich bleibe, wo ich bin, ja. Aber ich fühle mich ein wenig erleichtert, danke. Du rufst mich an, wenn du Genaueres weißt?«
»Natürlich!« Ich höre den Fernseher nebenan laufen, aber ich zwinge mich, weiter zu flüstern. »Fo, ich bin so froh, wenn das vorbei ist. Ich brauche dich!«
Er antwortet nach einer langen Pause: »Ich vermisse dich auch, Caro.« Dann ist die Verbindung tot. Ich stecke das Handy in meinen Rucksack zurück und schlüpfe unter die Bettdecke. Warum habe ich das zu ihm gesagt? Das sagt man nicht zu jemandem, den man ständig von der Bettkante schubst. Das sagt man zu jemandem, den man liebt. Ich weiß nicht mehr, wo oben und wo unten ist, was ich wirklich empfinde und was ich mir nur einbilde. Ich trauere um Philipp, sehr sogar. Aber ich vermisse Fo.
Als der Schlaf kommt, bringt er wieder die Träume mit sich. Ich werde kurz wach, als ich die Tür gehen höre, Stimmen, Bewegungen im Nebenzimmer. Jens ist da.
Ich schlafe wieder ein und wieder träume ich. Der Große Böse Troll hält mich fest, nimmt mir den Atem. Er bedroht Elli. Wenn ich irgendjemandem etwas erzähle oder wenn ich mich weigere, alles mitzumachen, was er von mir verlangt, dann wird er gehen und sich Elli holen und ihr noch viel mehr weh tun als mir und ich muss dabei zusehen.
Ich werde wach, bin schweißgebadet, muss mich mühsam in die Realität zurückkämpfen. Es ist vorbei. Ich habe Jason angezeigt, als ich endlich begriffen habe, dass er weder mir noch Elli etwas antun kann, wenn er im Knast sitzt. Da war ich sechzehn und ganze vier Jahre lang seine Sklavin gewesen. So hatte er es genannt. Seine willige kleine Sklavin. Sein hübsches Negerpüppchen.
Ich trinke einen Schluck Wasser, um den bitteren Geschmack aus dem Mund zu bekommen. Das ist vorbei, Carlotta. Geschichte. Vorüber und so gut wie vergessen.
34
»Du kannst von uns aus in deine Wohnung zurück«, sagt der PHK zu mir. Wir sind inzwischen beim »Du«, immerhin haben wir zusammen gefrühstückt, er in Shorts und T-Shirt, ich in meinem geliehenen Bademantel, und er hält Händchen mit meiner Schwester. Ich bin gerührt. Die beiden sind so offensichtlich verliebt, dass es einfach nur herzerwärmend anzusehen ist. Ich stelle es mir schwierig
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