Calendar Girl
Brustkorb, aber da ist nichts. Nichts. Nichts.
Mit zitternden Fingern nehme ich das Handy von dem kleinen Tisch neben dem Bett, wähle den Notruf. Mein Handy ist im Bad, aber ich kann hier nicht weg, ich kann ihn doch hier nicht allein lassen.
Ich sitze neben ihm, zu durcheinander, um irgendetwas zu tun. Ich sollte mich anziehen, ehe die Polizei hier hereintrampelt, ich sollte der Haushälterin Bescheid sagen, wo ist sein Fahrer, wieso hat ihn niemand gefunden? Bin ich zu spät gekommen, ist er deshalb gestorben?
Dann ist die Polizei da und das Zimmer ist voll mit Leuten, die alle auf mich einreden. Ich bin erleichtert, als ich die Stimme meiner Schwester höre, die sich energisch Luft verschafft. In ihrem Schlepptau der junge Polizeihauptkommissar mit seiner kühlen, beruhigenden Art. Ich überlasse mich dankbar der Fürsorge einer Polizistin - ist es dieselbe, die mich gestern Nacht mit Kaffee versorgt hat? - die mich aus dem Zimmer bringt und wartet, bis ich mich angezogen habe.
»Kommen Sie«, sagt sie zu mir und lenkt mich zu einem Abstellraum neben der Trainingsfläche. Überall laufen Menschen herum, alle Lampen brennen, eine Trage steht vor der Tür des Blaubartzimmers. Ich sehe sie und beginne zu weinen.
»Ich komme gleich zu dir«, ruft Elli von hinten. »Setz dich hin. Brauchst du was?«
Ich kann nicht antworten, weil das Zittern jetzt so schlimm geworden ist, dass mir die Zähne aufeinanderschlagen. Die Polizistin sieht mich besorgt an, drückt mich auf einen Stuhl und läuft zu einem Mann in weißer Kleidung und orangefarbener Schutzweste. Der blickt zu mir, nickt und greift nach einer Tasche.
Ein paar Minuten später liege ich in einem ruhigen Zimmer im Erdgeschoss auf einer weichen Couch. Der Notarzt oder Sanitäter oder was immer er war, hat mir eine Spritze gegeben und mir gesagt, ich solle schlafen. Das Flattern und Zittern lässt langsam nach, eine dicke Decke senkt sich warm und dunkel über mich. Ein paar Minuten alles Denken ausschalten. Bitte.
32
»Ich kann es dir nicht ersparen«, sagt Elli und sieht mich unbehaglich an. »Ist es in Ordnung, wenn Jens dabei ist? Oder willst du, dass ich eine Beamtin ...«
Ich sitze in einem Sessel, klammere mich an einem Glas Wasser und einem Taschentuch fest und schüttele den Kopf. »Geht in Ordnung«, flüstere ich. Meine Kehle ist so rau, als hätte ich eine Erkältung.
Der PHK nickt Elli zu und setzt sich so, dass er mich gut sehen kann. Ich senke den Blick auf meine Hände und hole zitternd Luft.
»Caro, erzähl mir bitte genau, was passiert ist«, sagt sie. »Du hast einen Anruf bekommen? Wann war das?«
»Gestern Nacht«, sage ich. »Er hat auf meine Mailbox gesprochen und mich für heute bestellt.«
Elli nickt und kneift ganz kurz missbilligend die Lippen zusammen. Ich denke an den Morgenmantel, den ich trug, als die Polizei eintraf und an all die Spielzeuge und Kostümierungen in dem Zimmer und weiche ihrem Blick aus. Wie soll ich das erklären?
»Als du ins Zimmer kamst, lag er so da, wie wir ihn vorgefunden haben, nur mit einer Art Gasmaske auf dem Gesicht, richtig?«
Ich nicke wieder.
»Die Maske hast du mit Hilfe eines Messers abgenommen? Woher kam das Messer?«
Ich erzähle noch einmal, was ich gleich nach dem Eintreffen dem ersten Polizeibeamten erzählt hatte. Wo das Messer gesteckt hat, wie ich Philipp gefunden habe, alles.
»Ich muss dir jetzt ein paar Fragen stellen, die dir unangenehm sein werden«, sagt Elli. Ich atme tief ein und nicke. »Habt ihr ... du und er ... solche Praktiken gemeinsam ausgeübt?«
Ich schüttele den Kopf, ein wenig unsicher, was sie mit »solche Praktiken« genau meint. »Nein«, sage ich zögernd, »nicht mit dieser Maske.«
Sie nickt verkniffen und wirft ihrem Vorgesetzten einen hilfesuchenden Blick zu. Jens Herbers rutscht auf der Stuhlkante nach vorne und sagt mit beruhigend nüchterner Stimme: »Also Fesselspiele schon, aber ohne Atemkontrolle, richtig?«
»Richtig«, bestätige ich. Nein, ich werde nicht verlegen. Verdammt, ich darf im Bett machen, was ich will, das ist nicht verboten.
»Hat er es Ihnen vorgeschlagen?«
Ich verneine. Ich hätte das auch nicht mitgespielt, bei dem Gedanken wird mir beinahe übel.
Er stellt mir noch ein paar Fragen zu mir und Philipp und ich bin ganz froh, dass es nicht Elli ist, der ich antworten muss, obwohl ich mir ihrer Gegenwart deutlich bewusst bin. Ja, ich bin seine Personal Trainerin gewesen, aber es ist schnell zu einer Affäre geworden.
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