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Calendar Girl

Titel: Calendar Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Hille
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Wahrscheinlich hat er früher zu diesem Zweck schon Kolleginnen aus dem Studio gebucht. Nein, er hat mich dafür nicht bezahlt. Nicht dafür! Mein Kopf ist heiß, meine Hände eiskalt. Ja, er hat mich gefesselt und wir haben auch die eine oder andere Sache aus seinem Schrank für Spiele benutzt. Ich sehe starr auf meine Hände. Nein, ich weiß nicht, ob noch andere Frauen in dieser Zeit das Zimmer mit ihm genutzt haben. Schön ausgedrückt, Herr PHK.
    Nach einer Weile lehnt er sich zurück und reibt sich über die Augen. »Sie haben die Bilder gesehen, die er auf den Spiegel über dem Bett projiziert hat?«
    Ich bejahe.
    Er sieht mich an. »Wir gehen im Moment davon aus, dass es ein Unfall war«, sagt er zu meiner Verblüffung. »Autoerotische Unfälle dieser Art sind selten, aber sie kommen vor und sie enden in der Regel tödlich. Die Fesseln haben einen Auslöser, den er anscheinend betätigt hat, aber der Stromkreis hatte einen Kurzschluss oder eine Sicherung war durch, er konnte sich also nicht befreien und kam deshalb auch nicht an das Messer, mit dem er die Maske hätte herunterschneiden können. Wir haben keinerlei Anzeichen für Fremdeinwirkung gefunden. Da sind natürlich Striemen, Blutergüsse und so weiter, die aber allesamt durch seine Bemühungen, sich im Todeskampf zu befreien ...«
    »Jens«, sagt Elli leise. Er unterbricht sich und sieht mich mitfühlend an. Mir ist alles egal. Wie schrecklich ist das nur? Wäre ich früher gekommen, hätte ich nicht gefrühstückt, sondern wäre gleich zu ihm gegangen, dann wäre er vielleicht noch am Leben? Ich bin schuld.
    »Ich muss kotzen«, sage ich und lasse zu, dass Elli mich unter den Arm klemmt und ins Badezimmer schleppt.
    Ich lasse mir ordentlich kaltes Wasser übers Gesicht laufen, dann geht es wieder. Ich trockne mich ab und suche nach Elli, um ihr zu sagen, dass ich zur Arbeit muss. Sie sieht mich ungläubig an. »Schätzchen, meinst du nicht, dass du dich besser hinlegst?« Sie fummelt ihren Wohnungsschlüssel aus der Tasche und hält ihn mir hin. »Jens will dich sicher morgen noch mal vernehmen, aber jetzt sind wir hier beschäftigt.«
    Ich verschränke die Arme und schüttele den Kopf. »Ich muss zum Job«, erkläre ich geduldig. »Ich mache Vertretung für eine Kollegin. Das kann ich nicht absagen.«
    Sie bekommt diesen Zug um den Mund, den sie von unserer Ma geerbt hat. »Ich halte es nicht für klug ...«, beginnt sie, aber ich höre mir nicht an, was sie für klug hielte, ich schnappe mir meine Sporttasche, die neben der Tür steht und gehe.
    »Caro, verdammt noch mal!« Sie ist mit einem Satz bei mir und hält mich fest. »Sei doch vernünftig. Da draußen rennt jemand herum und bringt Menschen um und hat dich ganz offensichtlich in seinem Fokus. Ich kann dich nicht einfach gehen lassen!«
    Die Sorge in ihrem Gesicht lässt die kurze Aufwallung von Zorn verfliegen. Ich nicke und sage: »Danke. Aber ich bin den Job los, wenn ich jetzt absage. Das kann ich mir nicht leisten, Elli.«
    Sie beißt sich auf die Lippe und seufzt. »Du fährst mit dem Taxi«, sagt sie. »Und du kommst danach sofort zu mir, auch mit dem Taxi. Hier, nimm den Schlüssel, Jens hat den anderen.« Sie kramt in ihrer Hosentasche und drückt mir einen Geldschein mit dem Schlüssel in die Finger. »Fürs Taxi.« Sie überhört meinen Protest, ruft nach hinten: »Körner, bestellen Sie bitte ein Taxi für meine Schwester«, und zieht mich in den Flur. »Schaffst du das denn jetzt überhaupt?«, fragt sie. Ihr Blick ist so mütterlich-besorgt, dass ich lachen muss.
    »Es ist mir sogar lieb«, erwidere ich. »Wenn ich jetzt irgendwo alleine herumsitze, fange ich nur zu grübeln an.« Mir steigen schon wieder Tränen in die Augen, die ich wütend wegblinzele.
    Sie streichelt hilflos meinen Arm. »Er war ein bisschen mehr als nur eine Affäre, oder?«
    Ich zucke die Achseln. Ja. Nein. Ich weiß nicht. Philipp ist tot und ich habe eine wunde Stelle in mir drin, die höllisch schmerzt. »Schon okay«, sage ich.
    Elli umarmt sie mich fest und murmelt: »Pass bitte auf dich auf. Bitte! Wenn dir etwas passiert ...«
    »Mir passiert nichts«, sage ich. »Das weißt du doch. Ich hab den Großen Bösen Troll überlebt, danach kann mir nichts und niemand mehr etwas anhaben.«
    Elli verzieht das Gesicht. Das war eine Geschichte, die wir uns als Kinder erzählt haben, nur, dass sie damals nicht wusste, dass es den Großen Bösen Troll wirklich gibt und dass ich ihn davon abhielt, sie zu

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