Calendar Girl
Bluterguss an seiner Schläfe an und berührte unwillkürlich ihren eigenen Kopf. »Wir haben die gleiche Beule«, sagte sie und lachte zum ersten Mal, seit sie ins Zimmer gekommen war.
Sie sprachen nicht mehr, weil sie beide zu erschöpft waren. Irgendwann legte Caro sich an Fos Seite, achtete darauf, seinen Verband nicht zu berühren und schlief an ihn geschmiegt ein. Er lag noch eine Weile wach, starrte an die dunkle Decke und beobachtete das Spiel der Lichter, die durch das Fenster fielen, ehe er auch einschlief.
37
Die Schwester hatte beide kräftig ausgeschimpft und Caro in ihr Zimmer zurückgescheucht. Aber ab dieser Nacht kam Caro regelmäßig zu ihm, saß bei ihm, hörte Musik auf ihrem MP3-Player, während er las oder schlief oder unterhielt sich mit ihm. Auch, nachdem sie längst entlassen war, kam sie jeden Tag und blieb so lange, bis sie von den Schwestern hinausgeworfen wurde.
Elli sollte nicht recht behalten - nach und nach erzählte ihm Caro von ihrer Zeit mit Jason. Nicht im Detail, immer nur kleine Ausschnitte, Szenen, Momente, Gedanken und Gefühle, aber es reichte, damit er sich ein Bild machen konnte. Sein Herz zersprang vor Mitleid mit dem jungen Mädchen, das dem Bösen so ausgeliefert gewesen war und trotzdem so tapfer ausgehalten hatte, um ihre Schwester zu schützen.
»Wie hast du es geschafft, ihn schließlich doch anzuzeigen?«, fragte er an einem Nachmittag, als sie einen ihrer langsamen Spaziergänge in dem kleinen begrünten Innenhof des Krankenhauses unternahmen.
Caro knetete ihre Hände, das Thema nahm sie immer noch heftig mit. Fo legte seinen Arm um ihre Schulter, um sie zu beruhigen, und sie lehnte sich in seine Umarmung. »Eines Morgens wurde ich wach«, sagte sie leise, »mir tat auf einmal alles weh. All die Schmerzen, die ich gelernt hatte zu unterdrücken, einfach nicht mehr wahrzunehmen. Sie fielen über mich her wie ein wütendes Wolfsrudel. Ich lag da und wusste, dass ich es keinen Tag länger aushalten würde. Ich habe darüber nachgedacht, mir die Pulsadern aufzuschneiden, mehr als einmal. Aber er hatte es mir verboten, also konnte ich es nicht tun.«
Fokko musste seinen Griff um ihre Schulter unwillkürlich verstärkt haben, denn sie zuckte zusammen. Er lockerte seine Muskeln und murmelte eine Entschuldigung.
»Ich habe also überlegt, was ich tun kann, was er mir nicht verboten hat.« Ihr Lächeln war verzerrt, ihre Stimme die eines kleinen, angstgeschüttelten Mädchens. Fokko musste an sich halten, ihr nicht zu sagen, sie möge nicht weiterreden, es vergessen ... aber er schwieg.
»Er hat mir nie verboten, zur Polizei zu gehen. Also, er hat mir natürlich gesagt, dass er Elli bestraft, wenn ich irgendjemandem etwas sage. Aber an dem Morgen habe ich begriffen, dass er das nicht tun kann, weil die Polizei ihn festnehmen wird und weil ich Elli beschützen konnte. Ich war ja kein Kind mehr. Ich habe mich angezogen und bin zur Polizei gegangen.«
Und die hatten die Spuren der Misshandlungen gesehen, die alten und die frischen, und hatten nicht lange gezögert. Fokko stieß den Atem aus und zog Caro in eine Umarmung. »Wie alt warst du da?«, fragte er.
»Sechzehn, fast siebzehn.« Sie barg das Gesicht an seiner Brust. »Vier Jahre und sieben Monate, Fo. Es kommt mir vor wie ein Leben lang.«
Sie gingen Hand in Hand weiter. Die Sonne schien, es war angenehm warm, obwohl der Herbst sich inzwischen deutlich ankündigte. Fo steuerte eine Bank an, weil er sich setzen musste. Caro folgte ihm und er bemerkte die Blicke, die sie ihm zuwarf. Sie waren voller Angst.
»Was ist?«, fragte er und streckte die Beine lang aus. Er drehte das Gesicht in die Sonne und schloss die Augen. Caro saß dicht neben ihm, hatte die Hand auf seinen Schenkel gelegt. Diese zutrauliche Geste rührte ihn mehr als alles andere. »Wovor fürchtest du dich? Deine Ma ist sehr zufrieden mit mir, sie sagte, ich könnte sicher bald wieder nach Hause.«
»Fo«, sagte sie mit kleiner Stimme, »ich wollte wissen ... ich habe doch den Troll gesehen, er ist so krank, dass er bald sterben wird. Ich habe Angst.«
Er begriff nicht, was sie meinte. Fragend wandte er den Kopf und sah sie an. Sie hatte Tränen in den Augen. Ihre Hand, die auf seinem Bein gelegen hatte, legte sich auf seinen Bauch, etwas oberhalb des Verbandes. »Er war so dünn geworden«, sagte sie. »Genau wie du. Bist du ... ist es sehr schlimm?«
Fokko begriff erst mit Verzögerung, was sie so in Angst versetzte. Er drehte sich zu
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