Calendar Girl
ihn, fassen mich, zerren uns auseinander. Ich bin halb ohnmächtig vor Schmerz. Elli ist da, hält mich fest. »Fo«, sage ich und die Welt beginnt auseinanderzubrechen. »Fo!«
»Wir haben einen Notarzt ...«, höre ich noch, dann bin ich weg.
36
Das Zimmer war hell und freundlich und seit er wieder bei klarem Bewusstsein war, genoss er den strikten Rhythmus, den ein Krankenhaustag mit sich brachte. Gestern war der Tropf entfernt worden und die Ärzte hatten sich erfreut über den Fortgang des Heilungsprozesses geäußert. Er selbst fühlte sich immer noch so, als hätte ihn eine Planierraupe überfahren, aber das war schließlich auch kein Wunder.
Inzwischen war auch Besuch erlaubt. Elli, Caros Schwester, war schon mehrmals dagewesen, einmal in Begleitung ihres Chefs oder Freundes - er war sich nicht ganz sicher, was davon zutraf - zu einer halbamtlichen Visite. Sicherlich war sie nicht wegen ihm hier, Caro lag im Nachbarflügel, auf der Frauenstation.
Fokko streckte sich vorsichtig und betastete den Verband. Es war ein tiefer Stich gewesen, er hatte ordentlich Blut verloren, aber weder war ein Organ verletzt noch eine der Hauptarterien durchtrennt worden. Glück im Unglück.
Der überraschendste Besuch in der letzten Woche war der einer dunkelhäutigen kleinen Ärztin gewesen, die ihn sehr energisch untersucht hatte und dabei skeptisch vom Stationsarzt beobachtet wurde. Sie hatte Fokkos Patientenakte studiert und die Behandlung mit dem anderen Arzt leise und heftig diskutiert, ehe der dann mit einem gemurmelten Gruß hinausgegangen war, der eher wie ein unterdrückter Fluch klang. Dann hatte die Ärztin sich zu Fo umgedreht, ihn strahlend angelächelt und ihre Hand ausgestreckt, um seine zu ergreifen. »Katlego Danesi«, sagte sie.
Er erwiderte den festen Druck mit Verblüffung. »Ah«, sagte er. Natürlich. Caro sah ihrer Mutter sehr ähnlich. »Ich wusste nicht, dass Sie Ärztin sind.« Genaugenommen wusste er überhaupt nichts über Caros Familie, wurde ihm bewusst.
Katlego lächelte ein bisschen schmerzlich. »Sie hat uns eine Weile aus ihrem Leben ausgesperrt«, sagte sie. »Ich bin froh, dass sie jemanden wie Sie gefunden hat, Herr Tjarks.« Ihre dunklen Augen musterten ihn scharf und geradezu klinisch gründlich. Fokko schabte sich unwillkürlich über die Wange und setzte sich aufrechter hin.
Caros Mutter entließ ihn aus ihrem Blick und begann ihm zu erklären, was genau mit ihm gemacht worden war, was für Schäden das Messer angerichtet hatte und wie der Heilungsprozess und die Behandlung aussahen. Sie beugte sich mittendrin vor und betastete behutsam die grüngelbe Verfärbung an seiner Schläfe. »Das war Caros Werk, richtig?«
Er nickte und grinste ein bisschen wehmütig. »Sie hat wirklich geglaubt, ich wäre der Mörder«, sagte er. »Ich frage mich, bin ich jetzt beleidigt oder nehme ich es als Kompliment? Rätselhafte Männer sind natürlich interessanter als so ein langweiliger 'bester Freund'-Typ.«
Sie belohnte ihn mit einem tiefen, ansteckenden Lachen. Das hatte Caro von ihr, dachte er.
Nach einer Weile hatte sie sich verabschiedet und eine Viertelstunde später saß Elli an seinem Bett. »Wie geht es dir?«, fragte sie und packte ihre Mitbringsel aus: Ein E-Book-Reader, eine Tüte mit Obst und ein paar Zeitschriften. »Ich wusste nicht, was du magst«, sagte sie und lächelte ihn an.
»Die Familie Danesi hat sich anscheinend vorgenommen, mich zu verwöhnen«, sagte er und runzelte die Stirn.
»Du hast dich um Caro gekümmert«, erwiderte Elli bestimmt. »Wir stehen in deiner Schuld, Fo.«
Er hatte lachend abgewinkt, aber Elli hatte ihn sehr ernst angesehen, nachdenklich ihre Wange gerieben und sich dann mit einem Ruck vorgebeugt, um ihm eine Geschichte zu erzählen. Ihre und Caros Geschichte. »Eigentlich müsste sie dir das erzählen«, sagte sie, »aber ich weiß, dass sie es nicht tun wird. Und es ist wichtig, dass du die Hintergründe kennst. Ich weiß, dass du Caro sehr gerne hast. Du solltest wissen, was wirklich in ihr steckt.«
Und so erfuhr er die Vorgeschichte, die zu diesem blutigen Showdown in seinem Atelier geführt hatte. Jason Benkow, befreundet mit Caros Bruder Daniele, hatte Caro das erste Mal vergewaltigt, als sie zwölf war. Er hatte sie sich damit gefügig gemacht, dass er ihr drohte, sich an ihrer Schwester Eliana zu vergreifen und dieser noch viel größere Schmerzen zuzufügen, wenn Caro sich ihm nicht fügte und vor allem den Eltern und Geschwistern
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