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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Mit jeder Stunde kam er ihr näher, und mit jeder Zuwendung, die auf dem Sonderkonto einging, bekam er ein wenig mehr Macht. Nun musste er nur noch herausfinden, wo dieser Carlos Merrian war und was er tat.
    Mit einigen Unterstützern hatte er sogar Unterhaltungen begonnen, die überwiegend aus hin und her gesendeten Videobotschaften bestanden. Er hatte mit einem Sicherheitsbeamten auf der Ceres-Station gesprochen, der ihm bei der Suche nach den Bestellungen geholfen hatte und ein netter Kerl zu sein schien. Ein paar Videos hatte er mit einer Krisenberaterin auf dem Mars ausgetauscht, bis er das beunruhigende Gefühl bekommen hatte, dass sie ihn anbaggern wollte. Eine ganze Schule – oder jedenfalls mindestens einhundert Kinder – hatte ihm die Aufzeichnung eines Liedes geschickt, das sie auf Spanisch und Französisch gesungen hatten, damit Mei glücklich zu ihm zurückkehrte.
    Nüchtern betrachtet wusste er, dass sich nichts verändert hatte. Nach wie vor war es sehr wahrscheinlich, dass Mei tot war oder dass er sie nie wiedersehen würde. Aber da ihm nun so viele Menschen beständig versicherten, alles werde gut ausgehen, und sich für ihn ins Zeug legten, schöpfte er neue Hoffnung. Wahrscheinlich war es eine Art Gemeinschaftsgefühl, das ihn stärkte. Gewisse Arten von Nutzpflanzen reagierten ganz ähnlich. Wenn man eine kranke oder leidende Pflanze in eine Gruppe gut genährter Artgenossen umsetzte, erholte sie sich wieder durch die Nähe der gesunden Exemplare, selbst wenn man die Erde und das Wasser getrennt hielt. Ja, es war ein chemischer Prozess, aber die Menschen waren soziale Wesen, und wenn ihn eine Frau vom Bildschirm anlächelte, ihm tief in die Seele zu blicken schien und ihm sagte, dass er durchaus erreichen konnte, was er sich wünschte, dann war es fast unmöglich, ihr nicht zu glauben.
    Es war sehr selbstbezogen, das wusste er, aber es machte auch süchtig. Er hatte aufgehört, den Eingang der Spenden zu kontrollieren, sobald er sicher war, dass es ausreichte, um das Schiff bis Io fliegen zu lassen. Holden hatte ihm eine detaillierte Aufstellung der Ausgaben und Kosten gezeigt, aber Prax war nicht der Ansicht, dass Holden ihn betrügen würde, und hatte lediglich einen kurzen Blick auf die Gesamtsumme am unteren Ende der Liste geworfen. Seit genügend Geld vorhanden war, hatte er aufgehört, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
    Vielmehr erforderten die Kommentare seine Zeit und Aufmerksamkeit.
    Alex und Amos unterhielten sich ruhig in der Messe. Ihre Stimmen erinnerten ihn daran, wie er auf der Universität in einer Gemeinschaftsunterkunft gelebt hatte. Andere Stimmen zu hören und die Gewissheit, dass andere Menschen in der Nähe waren, all die vertrauten Geräusche. Es unterschied sich gar nicht so sehr von den Kommentaren, die er gerade las.
    VOR VIER JAHREN HABE ICH MEINEN SOHN VERLOREN UND KANN MIR IMMER NOCH KAUM VORSTELLEN, WAS SIE GERADE DURCHMACHEN. ICH WÜNSCHTE, ICH KÖNNTE MEHR FÜR SIE TUN.
    Bis auf ein paar Dutzend Zuschriften hatte er die Liste abgearbeitet. In der willkürlich eingeteilten Welt des Schiffs war es Nachmittag, aber er war ungeheuer müde und überlegte, ob er ein Nickerchen machen und später weiterlesen sollte, entschied sich dann aber, die restlichen Zuschriften zumindest zu überfliegen, auch wenn er nicht sofort auf alle antwortete. Irgendwo lachte Alex, Amos stimmte ein.
    Prax öffnete die fünfte Nachricht.
    DU BIST EIN KRANKES, KRANKES, KRANKES SCHWEIN, UND ICH SCHWÖRE BEI GOTT, WENN ICH DIR JE BEGEGNE, DANN WERDE ICH DICH EIGENHÄNDIG TÖTEN. EINER WIE DU SOLLTE VERGEWALTIGT WERDEN, BIS ER TOT UMFÄLLT, NUR DAMIT DU WEISST, WIE SICH DAS ANFÜHLT.
    Prax hielt den Atem an. Sein Bauch fühlte sich an, als hätte er gerade einen Boxhieb in den Solarplexus bekommen. Er löschte die Nachricht. Eine weitere ging ein, dann noch einmal drei. Dann ein Dutzend. Ängstlich öffnete Prax die neuen Botschaften.
    ICH HOFFE, DU STIRBST.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Prax zu dem Terminal. Der Hass brach unvermittelt und unablässig und aus völlig unerklärlichen Gründen über ihn herein. Wenigstens, bis er eine Nachricht öffnete, die einen Link auf einen öffentlichen Newsfeed enthielt. Prax forderte ihn an, und fünf Minuten später wurde sein Bildschirm leer, das glühende blaue Symbol eines großen irdischen Nachrichtenportals erschien, und dann tauchte auch der Name des Kanals auf: The Raw Feed.
    Als das Logo ausgeblendet wurde, sah Nicola ihn an. Prax griff

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