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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Irgendjemand wird früher oder später etwas bemerken. Verdammt, dort hat der größte Teil der extrasolaren Astronomie stattgefunden, bis wir den Uranus erreicht haben. Wenn dort etwas Unbekanntes herumfliegt, werden die Observatorien sauer, weil es ihnen die Bilder versaut.«
    Naomi tippte auf die Tischplatte. Es klang wie Kondensat, das in Metallschächten abtropfte.
    »Europa ist der wahrscheinlichste Standort«, erklärte sie.
    »Nein, es ist Io«, widersprach Prax, dem die Ungeduld anzumerken war. »Einen Teil des Geldes habe ich benutzt, um eine Preissuche nach den Arylaminen und Nitroarenen durchzuführen, die man für die Mutationsforschung benötigt.« Er hielt inne. »Es ist doch in Ordnung, dass ich das Geld dafür ausgegeben habe, oder?«
    »Dazu ist es da«, beruhigte Holden ihn.
    »Na gut. Mutagene, die erst nach ausdrücklicher Aktivierung wirken, werden streng kontrolliert, weil man sie für die Biowaffenherstellung benutzen kann. Aber wenn man mit einer solchen biologischen Kaskade und Rückhaltesystemen arbeiten will, dann braucht man sie. Die meisten Lieferungen kamen nach Ganymed, aber es ging auch einiges nach Europa. Als ich dort nachgeschaut habe, konnte ich allerdings keinen endgültigen Empfänger entdecken. Das Material wurde zwei Stunden nach der Lieferung weitergeschickt.«
    »Nach Io«, sagte Holden.
    »Das Ziel war nicht angegeben, aber die Transportbehälter müssen die Sicherheitsbestimmungen von Erde und Mars erfüllen. Das ist sehr teuer. Die Behälter der Lieferung nach Europa wurden von Io aus zwecks Erstattung der Pfandgebühr zum Hersteller zurückgeschickt.«
    Prax holte tief Luft. Es war wie Zähneziehen, aber er war ziemlich sicher, dass er alle wichtigen Details genannt hatte, um seine Erläuterungen, wenn schon nicht zweifelsfrei zu belegen, dann wenigstens sehr glaubhaft zu machen.
    »Dann …«, setzte Amos an. Das Wort klang, als hätte es mindestens drei Silben. »Dann sitzen die bösen Buben wahrscheinlich auf Io?«
    »Ja«, sagte Prax.
    »Verdammt noch mal, Doc, hätten Sie das nicht gleich sagen können?«
    Der Schub betrug ein volles G, doch die leichte Corioliskraft der Tycho-Station fehlte. Prax hockte, über sein Handterminal gebeugt, auf der Koje. Auf dem Weg zur Tycho-Station waren der Hunger und der Kummer manchmal die einzigen Dinge gewesen, die ihn überhaupt abgelenkt hatten. Physisch hatte sich nichts verändert. Der Raum war immer noch eng und winzig. Der Luftrecycler klickte und summte wie eh und je. Aber jetzt fühlte Prax sich nicht isoliert, sondern er saß im Zentrum eines großen Netzwerks vieler Menschen, die alle das Gleiche wollten wie er.
    MISTER MENG, ICH HABE DEN BERICHT ÜBER SIE GESEHEN UND SENDE IHNEN MEIN MITGEFÜHL UND MEINE GEBETE. ES TUT MIR LEID, DASS ICH IHNEN KEIN GELD SCHICKEN KANN, WEIL ICH NUR STÜTZE BEKOMME, ABER ICH HABE DEN BERICHT IN DAS RUNDSCHREIBEN MEINER GEMEINDE AUFGENOMMEN. ICH HOFFE, SIE FINDEN IHRE TOCHTER WOHLAUF UND GESUND.
    Prax hatte für alle, die ihm ihre guten Wünsche übermittelten, eine Standardantwort vorbereitet und spielte mit dem Gedanken, einen Filter zu entwickeln, der diese Botschaften erkannte und automatisch die vorbereitete Antwort zurückschickte. Bisher hatte er aber noch nichts unternommen, weil er nicht sicher war, wie genau er die Bedingungen definieren konnte, und er wollte niemandem den Eindruck vermitteln, seine Gefühle würden nicht ernst genommen oder für selbstverständlich gehalten. Außerdem hatte er auf der Rosinante sowieso nichts weiter zu tun.
    ICH SCHREIBE IHNEN, WEIL ICH MÖGLICHERWEISE INFORMATIONEN HABE, DIE IHNEN HELFEN, IHRE TOCHTER WIEDERZUFINDEN. SEIT MEINER KINDHEIT HABE ICH STARKE VORAHNUNGEN IN MEINEN TRÄUMEN. DREI TAGE BEVOR ICH JAMES HOLDENS SENDUNG ÜBER SIE UND IHRE TOCHTER SAH, IST SIE MIR IN EINEM TRAUM ERSCHIENEN. SIE WAR AUF LUNA IN EINEM SEHR ENGEN LICHTLOSEN RAUM UND HATTE ANGST. ICH HABE VERSUCHT, SIE ZU TRÖSTEN, UND ICH BIN SICHER, DASS ES IHNEN BESTIMMT IST, SIE AUF LUNA ODER IN EINER UMLAUFBAHN IN DER NÄHE ZU FINDEN.
    Natürlich antwortete Prax nicht auf alle Zuschriften.
    Die Reise nach Io würde nicht viel länger dauern als die vorherige nach Tycho. Wahrscheinlich würde es sogar schneller gehen, weil sie nicht damit rechnen mussten, dass sich das Protomolekül in Gestalt eines blinden Passagiers einschlich und den Laderaum in die Luft jagte. Wenn Prax länger darüber nachdachte, juckten ihm die Handflächen. Er wusste, wo sie war oder gewesen war.

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