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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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nach der Steuerung, weil er glaubte, er sei irgendwie in die privaten Botschaften hineingerutscht, obwohl er es längst besser wusste. Nicola leckte sich über die Lippen, wandte den Blick ab, sah wieder in die Kamera. Sie wirkte müde und erschöpft.
    »Ich bin Nicola Mulko. Ich war mit Praxidike Meng verheiratet, der einen Aufruf veröffentlicht hat, um seine Tochter zu finden … meine Tochter Mei.«
    Eine Träne kullerte ihr über die Wange. Sie wischte sie nicht weg.
    »Was Sie nicht wissen – was niemand weiß –, ist, dass Praxidike Meng ein Ungeheuer in der Gestalt eines Menschen ist. Seit ich ihm entkommen bin, versuche ich, Mei zurückzuholen. Ich dachte zuerst, seine Übergriffe hätten sich nur gegen mich gerichtet. Ich hätte nicht gedacht, dass er auch ihr wehtut. Aber nachdem ich von Freunden auf Ganymed, die nach meiner Abreise dort geblieben sind, Informationen bekommen habe …«
    »Nicola«, sagte Prax. »Nicht. Tu das nicht.«
    »Praxidike Meng ist ein gewalttätiger und gefährlicher Mann«, behauptete Nicola. »Als Meis Mutter glaube ich, dass er sie, nachdem ich weggegangen war, emotional, körperlich und sexuell misshandelt und missbraucht hat. Ihr angebliches Verschwinden während der Unruhen auf Ganymed soll nur die Tatsache vertuschen, dass er sie schließlich getötet hat.«
    Die Tränen strömten jetzt ungehemmt über Nicolas Wangen, doch ihre Stimme und die Augen waren kalt wie ein toter Fisch.
    »Ich mache niemandem außer mir selbst irgendeinen Vorwurf«, sagte sie. »Ich hätte nicht weggehen dürfen, ohne mein kleines Mädchen mitzunehmen …«

37 Avasarala
    »Ich mache niemandem außer mir selbst irgendeinen Vorwurf«, sagte die weinende Frau. Avasarala stoppte die Wiedergabe und lehnte sich zurück. Ihr Herz schlug schneller als gewöhnlich, und sie spürte, wie sich dicht vor der Schwelle ihres gewohnten Bewusstseins neue Gedanken bildeten. Wenn jemand ein Ohr an ihren Kopf presste, konnte er wahrscheinlich ihr Gehirn summen hören.
    Bobbie saß auf dem Himmelbett, das in diesem Moment tatsächlich klein aussah, was für sich genommen schon eine Leistung war. Sie hatte ein Bein untergeschlagen und auf der frischen goldenen und grünen Tagesdecke ein echtes Kartenspiel ausgebreitet. Die Solitärpartie war allerdings vergessen. Die Marsianerin starrte Avasarala an, auf deren Lippen sich allmählich ein Grinsen ausbreitete.
    »Verdammt will ich sein«, sagte die Politikerin. »Die haben Angst vor ihm.«
    »Wer hat vor wem Angst?«
    »Errinwright geht gegen Holden und diesen Mistkerl von Meng vor, wer er auch ist. Sie haben ihn tatsächlich zum Eingreifen gezwungen. Das habe ich nicht geschafft.«
    »Glauben Sie nicht, dass der Botaniker sein Kind befummelt hat?«
    »Das kann sein, aber das hier«, sie tippte auf das tränenüberströmte Gesicht der Exfrau, »das ist eine Schmierenkampagne. Ich wette einen Wochenlohn, dass ich mal mit der Frau, die das koordiniert, zu Mittag gegessen habe.«
    Bobbies skeptischer Blick ließ Avasarala nur noch breiter lächeln.
    »Das hier«, sagte Avasarala, »ist die erste wirklich gute Sache, die passiert, seit wir mit diesem fliegenden Hurenhaus unterwegs sind. Ich muss mich an die Arbeit machen. Bei Gott, ich wünschte, ich wäre im Büro.«
    »Möchten Sie etwas Tee?«
    »Gin«, erklärte sie und schaltete die Kamera ihres Terminals ein. »Wir haben etwas zu feiern.«
    Auf dem Display wirkte sie noch kleiner, als sie sich fühlte. Die Räume waren dazu eingerichtet, die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters zu fordern, ganz egal, in welchem Winkel man sich in ihnen aufnahm. Es war, als wäre man in einer Postkarte gefangen. Wer mit der Jacht flog, wollte protzen, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. In der schwachen Schwerkraft standen ihr allerdings die Haare zu Berge, als wäre sie gerade erst aufgestanden. Noch schlimmer, sie wirkte emotional angegriffen und körperlich erschöpft.
    Weg damit, sagte sie sich selbst. Her mit der Maske.
    Sie holte tief Luft, machte eine unwirsche Geste in Richtung der Kamera und startete die Aufzeichnung.
    »Admiral Souther«, sagte sie, »vielen Dank für Ihre letzte Nachricht. Mir ist etwas zu Ohren gekommen, das Sie vielleicht interessant finden. Anscheinend hat irgendjemand etwas gegen James Holden. Wenn ich bei der Flotte wäre, statt im verdammten Sonnensystem umherzufliegen, würde ich Sie auf einen Kaffee einladen und Ihnen einige vertrauliche Unterlagen zeigen. Ich beobachte Holden schon

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