Calibans Krieg
fünf Minuten lang unbeantwortet. Zehn Minuten. Als das Notsignal der King einsetzte, hatte das Schiff immer noch nicht geantwortet. Direkt danach ging eine Durchsage ein.
»Hier ist Admiral Nguyen auf dem UN-Schlachtschiff Agatha King . Ich biete den UN-Schiffen unter der Bedingung sofortiger Evakuierung die Kapitulation an. Wiederhole: Ich kapituliere gegenüber jedem UN-Schiff unter der Bedingung der Evakuierung.«
Souther antwortete auf derselben Frequenz.
»Hier ist die Okimbo . Wie ist Ihre Situation?«
»Wir haben hier eine mögliche Biogefährdung«, erklärte Nguyen. Seine Stimme klang gepresst und schrill, als würgte ihn jemand. Auf der taktischen Anzeige näherten sich einige weiße Punkte bereits dem grünen Punkt.
»Halten Sie durch, King «, sagte Souther. »Wir sind unterwegs.«
»Den Teufel werdet ihr tun.« Avasarala öffnete leise fluchend einen Kanal. »Den Teufel werden Sie tun. Hier ist Avasarala. Ich verhänge über die Agatha King die Quarantäne und eine vollständige Isolation. Kein Fahrzeug darf bei ihr andocken oder Material oder Personal übernehmen. Jedes Schiff, das dies tut, wird ebenfalls der Quarantäne und Isolation unterworfen.«
Zwei weiße Punkte schwenkten ab, drei andere flogen weiter. Sie öffnete erneut den Kanal.
»Bin ich denn die Einzige hier, die sich an Eros erinnert? Was glaubt ihr denn, was auf der King ausgebrochen ist? Nähern Sie sich dem Schiff nicht weiter.«
Auch die letzten weißen Punkte schwenkten ab. Als Nguyen endlich ihre Kommunikationsanfrage annahm, hatte sie ihn völlig vergessen. Er sah schrecklich aus, aber ihr selbst ging es auch nicht viel besser. Wie viele Kriege hatten auf diese Weise geendet? Zwei erschöpfte, von Übelkeit geplagte Menschen starrten einander an, während rings um sie die Welt brannte.
»Was wollen Sie noch von mir?«, sagte Nguyen. »Ich habe kapituliert, ich habe verloren. Meine Männer sollten nicht aufgrund Ihrer Rachsucht zugrunde gehen.«
»Es ist keine Rachsucht«, erwiderte Avasarala. »Wir können Ihrer Bitte einfach nicht entsprechen. Das Protomolekül entkommt. Ihre schönen Kontrollprogramme funktionieren nicht. Es ist ansteckend.«
»Das ist nicht bewiesen.« Die Art, wie er es sagte, verriet ihr alles, was sie wissen musste.
»Es hat bereits begonnen, nicht wahr?«, entgegnete sie. »Schalten Sie Ihre Innenkameras ein. Lassen Sie es uns sehen.«
»Das werde ich nicht tun.«
Entmutigt atmete sie aus. Es war tatsächlich schon geschehen.
»Es tut mir leid«, sagte Avasarala. »Es tut mir unendlich leid.«
Nguyen zog die Augenbrauen einen Millimeter hoch. Seine Lippen waren schmal und blutleer. Sie glaubte sogar, Tränen in den Augen zu erkennen, aber vielleicht war es auch eine Störung in der Übertragung.
»Sie müssen die Transponder wieder aktivieren«, verlangte Avasarala. Als er nicht antwortete, fuhr sie fort: »Wir können das Protomolekül nicht als Waffe benutzen. Wir verstehen nicht, was es ist und können es nicht kontrollieren. Sie haben gerade ein Todesurteil zum Mars geschickt. Ich kann Sie nicht retten, das ist nicht möglich. Aber schalten Sie die Transponder wieder ein, und helfen Sie mir, die Menschen zu retten.«
Schweigen breitete sich aus. Avasarala spürte Holdens und Naomis Aufmerksamkeit wie die warme Luft, die von einer Heizung ausstrahlte. Nguyen schüttelte den Kopf. Seine Lippen zuckten, als er angestrengt nachdachte.
»Nguyen«, fuhr sie fort, »was ist dort auf Ihrem Schiff los? Wie schlimm ist es?«
»Holen Sie mich hier raus, dann schalte ich die Transponder wieder ein«, forderte er. »Stecken Sie mich den Rest meines Lebens in den Bau, das ist mir egal. Aber holen Sie mich von diesem Schiff herunter.«
Avasarala wollte sich vorbeugen, doch dabei verlagerte sich nur die Druckliege. Sie suchte nach den richtigen Worten, um ihn zur Vernunft zu bringen, wollte ihm sagen, dass er falsch und böse gehandelt hatte und durch seine eigene Waffe einen schlimmen Tod erleiden würde, aber wenigstens im Tod noch etwas Richtiges tun konnte. Sie betrachtete den zornigen, kurzsichtigen, verschreckten kleinen Mann und suchte nach einem Weg, ihm ein wenig schlichten menschlichen Anstand zu entlocken.
Es gelang ihr nicht.
»Das kann ich nicht tun«, lehnte sie ab.
»Dann hören Sie auf, meine Zeit zu verschwenden.« Er trennte die Verbindung.
Sie lehnte sich zurück und legte eine flache Hand auf das Visier.
»Ich bekomme von dem Schlachtschiff sehr merkwürdige Werte
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