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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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damit irgendetwas passiert.«
    Thorsson nickte und tätschelte ihre Hand, was er in der letzten Zeit ziemlich oft getan hatte. Es war ausgesprochen aufreizend und herablassend, aber Bobbie machte sich allmählich Sorgen, ob Thorsson womöglich Anlauf nahm, sie anzubaggern. Das wäre höchst unangenehm gewesen.
    Sie zog die Hand weg und beugte sich zu Thorsson hinüber, bis er sich umdrehte und ihren Blick erwiderte.
    »Warum erwähnt eigentlich niemand das verdammte Monster?«, flüsterte sie. »Bin ich nicht … sind wir nicht alle genau deshalb hier?«
    »Sie müssen verstehen, wie solche Konferenzen funktionieren.« Thorsson wandte sich wieder ab und fummelte an seinem Terminal herum. »Die Politik bewegt sich langsam, weil sehr viel auf dem Spiel steht. Niemand will derjenige sein, der es vermasselt hat.«
    Er legte das Terminal auf den Tisch und zwinkerte ihr zu. »Hier stehen Karrieren auf dem Spiel.«
    »Karrieren …«
    Thorsson nickte nur und tippte etwas auf seinem Terminal ein.
    Karrieren?
    Einen Moment lang sah sie sich wieder auf dem Rücken liegen und in die sternenbesetzte Leere über Ganymed hinaufblicken. Ihre Männer waren tot oder lagen im Sterben. Das Funkgerät des Anzugs war ausgefallen, ihre Rüstung ein gefrorener Sarg. Sie sah das Gesicht des Wesens. Ohne Anzug in der Strahlung und im Vakuum. An den Krallen hing noch das gefrorene rote Blut. Aber an diesem Tisch wollte niemand darüber reden, weil sie alle um ihre Karrieren fürchteten?
    Zum Teufel damit.
    Als die Teilnehmer der Sitzung in den Raum zurückgekehrt waren und ihre Plätze eingenommen hatten, hob Bobbie die Hand. Sie kam sich ein wenig lächerlich vor, so ähnlich wie eine Fünftklässlerin in einem Raum voller Erwachsener, aber sie hatte keine Ahnung, was das Protokoll für den Fall vorsah, dass jemand eine Frage stellen wollte. Der Vorleser warf ihr einen genervten Blick zu und ignorierte sie. Thorsson streckte unter dem Tisch die Hand aus und kniff sie energisch.
    Sie behielt die Hand oben.
    »Entschuldigung?«, sagte sie.
    Der Reihe nach warfen ihr die Menschen am Tisch unfreundliche Blicke zu und sahen demonstrativ in eine andere Richtung. Thorsson verstärkte den Druck auf ihr Bein, bis sie genug hatte und mit der freien Hand sein Handgelenk packte und zudrückte, dass die Knochen knirschten. Er zog die Hand mit einem erschrockenen Keuchen zurück. Dann drehte er sich mit weit aufgerissenen Augen zu ihr herum. Der Mund war eine farblose Linie, die Lippen konnte man nicht mehr erkennen.
    Die Frau mit dem gelben Sari legte dem Vorleser eine Hand auf den Arm, worauf er sofort verstummte. Aha, sie ist der Boss, dachte Bobbie.
    »Ich würde mir wirklich gern anhören, was Sergeant Draper beizusteuern hat.« Sie lächelte nachsichtig und betrachtete die anderen Konferenzteilnehmer.
    Sie erinnert sich an meinen Namen, dachte Bobbie. Das ist interessant.
    »Sergeant?«, erteilte ihr die Oma das Wort.
    Bobbie war unsicher, wie sie sich verhalten sollte, und stand lieber auf.
    »Ich frage mich nur, warum niemand über das Monster redet.«
    Omas rätselhaftes Lächeln war wieder da. Niemand sprach ein Wort. Bobbie wurde in dem Schweigen ausgesprochen nervös, sogar ihre Beine zitterten. Mehr als alles auf der Welt wollte sie sich setzen, damit alle sie vergaßen und in eine andere Richtung blickten.
    Sie machte eine finstere Miene und presste die Knie gegeneinander.
    »Sie müssen eines wissen«, fuhr Bobbie fort. Ihre Stimme klang etwas schrill. Dagegen konnte sie nichts tun. »Das Monster hat auf Ganymed fünfzig Soldaten getötet. Das ist der Grund, warum wir hier sind.«
    Schweigen herrschte im Raum. Thorsson starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren. Vielleicht traf das sogar zu. Oma zupfte an ihrem Sari und lächelte aufmunternd.
    »Selbstverständlich«, Bobbie hielt die Tagesordnung hoch, »bin ich sicher, dass Handelsabkommen, Wasserrechte und die Frage, wer wen am zweiten Donnerstag nach der Wintersonnenwende vögeln darf, sehr wichtige Fragen sind.«
    Sie hielt inne und holte tief Luft. Die Schwerkraft und ihr Ausbruch hatten ihr den Atem geraubt. Und dann sah sie es in den Augen. Wenn sie in diesem Augenblick abgebrochen hätte, wäre sie nur eine komische Sache gewesen, die einfach mal passieren konnte, und dann hätten sich die Leute wieder an die Arbeit gemacht und sie bald wieder vergessen. Noch konnte sie verhindern, dass ihre Karriere über eine Klippe stürzte und in Flammen aufging.
    Sie entdeckte, dass

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