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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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brauchte.
    »Nein, ich gehe nur spazieren«, erklärte sie.
    Der Wachmann lächelte und wünschte ihr einen angenehmen Tag. Sie lief die Straße hinunter und entfernte sich vom UN-Komplex. Als sie um eine Ecke bog, bemerkte sie zwei bewaffnete Wachleute, die ihr in diskretem Abstand folgten. Achselzuckend ging sie weiter. Wahrscheinlich würde jemand den Job verlieren, wenn ein VIP wie sie verschwand oder verletzt wurde.
    Sobald Bobbie das UN-Gelände verlassen hatte, ließ die Agorapobie nach. Ringsherum erhoben sich Gebäude wie Mauern aus Stahl und Glas, sodass der verwirrende Himmel erst weit oben begann und sie ihn nicht ständig sah. Kleine, nach Ozon riechende Elektroautos fuhren mit hohem Surren die Straßen hinunter.
    Und überall waren Menschen.
    Zweimal hatte Bobbie das Armstrong-Stadion auf dem Mars besucht, um die Red Devils zu sehen. Die Arena bot zwanzigtausend Zuschauern Platz. Da die Devils normalerweise am unteren Ende der Liga rangierten, waren die Sitze gewöhnlich nicht einmal zur Hälfte belegt. Diese bescheidene Zuschauerzahl war die größte Menschenmenge, die Bobbie je an einem Ort gesehen hatte. Auf dem Mars lebten mehrere Milliarden Menschen, aber es gab nicht viele freie Flächen, auf denen sie sich versammeln konnten. Wenn sie hier an einer Kreuzung stand und die beiden Straßen hinabblickte, die sich unendlich weit zu erstrecken schienen, bekam Bobbie den Eindruck, mehr als die durchschnittliche Zuschauerzahl der Red Devils allein schon auf den Gehwegen zu beobachten. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie viel mehr Menschen sich in den Gebäuden befanden, die sich ringsherum in schwindelerregende Höhen emporreckten. Es gelang ihr nicht. In unmittelbarer Nähe, so weit sie blicken konnte, waren es wahrscheinlich bereits mehrere Millionen.
    Wenn die marsianische Propaganda zutraf, dann hatten die meisten Leute, die sie sah, keine Jobs. Sie überlegte, wie es wohl war, wenn man nicht jeden Tag einen festen Ort hatte, den man aufsuchen musste.
    Die Erder hatten herausgefunden, dass Menschen, die nichts zu tun hatten, viele Babys zeugten. Während einer kurzen Phase im zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert hatte es den Anschein gehabt, als werde die Bevölkerung sogar schrumpfen, statt weiterzuwachsen. Je mehr Frauen eine höhere Bildung erlangten und entsprechende Arbeitsstellen annahmen, desto kleiner wurden die Familien.
    Ein paar Jahrzehnte umfassender Arbeitslosigkeit hatten das Bild radikal verändert.
    Jedenfalls hatte sie dies in der Schule gelernt. Nur hier auf der Erde, wo die Lebensmittel von selbst wuchsen und die Luft ein Nebenprodukt wild wachsender Pflanzen war, wo die Ressourcen in riesigen Mengen auf dem Boden herumlagen, hier konnten es sich viele Menschen erlauben, überhaupt nichts zu tun. Diejenigen, die gern arbeiteten, erzeugten so viel Überschuss, dass alle genug zu essen bekamen. Eine Welt, in der nicht mehr zwischen Reich und Arm, sondern zwischen Beschäftigten und Apathischen unterschieden wurde.
    Vor einem Café blieb Bobbie stehen und beschloss, sich zu setzen.
    »Was darf ich Ihnen bringen?«, fragte eine junge Frau mit hellblau gefärbten Haaren.
    »Was können Sie empfehlen?«
    »Wir machen den besten Sojamilchtee, wenn Sie so etwas mögen.«
    »Gern«, willigte Bobbie ein. Sie hatte keine Ahnung, was Sojamilchtee überhaupt war, aber da sie die Bestandteile für sich genommen durchaus mochte, ließ sie es auf einen Versuch ankommen.
    Das blauhaarige Mädchen entfernte sich und schwatzte mit einem ebenso jungen Mann, der hinter der Theke stand und den Tee zubereitete. Bobbie sah sich um. Alle, die hier arbeiteten, waren ungefähr in demselben Alter.
    Als der Tee kam, sagte Bobbie: »Darf ich Sie etwas fragen?«
    Das Mädchen zuckte mit den Achseln und lächelte einladend.
    »Sind alle, die hier arbeiten, im gleichen Alter?«
    »Ja«, antwortete die Bedienung. »So ziemlich. Man muss ja vor der Universität Bonuspunkte sammeln.«
    »Ich bin nicht von hier«, gab Bobbie zu. »Könnten Sie mir das erklären?«
    Das blauhaarige Mädchen betrachtete sie erst jetzt richtig und musterte die Uniform und die Abzeichen.
    »O Mann, Sie sind vom Mars, richtig? Da will ich eines Tages auch hin.«
    »Ja, dort ist es schön. Erzählen Sie mir nun etwas über diese Bonussache?«
    »Gibt es das nicht auch auf dem Mars?«, fragte die Bedienung verwirrt. »Na gut, also, wenn Sie sich um einen Studienplatz bewerben, müssen Sie mindestens ein Jahr gearbeitet haben,

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