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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Sturz ein wenig ab, aber es ist zu spät. Es ist zu spät, und weil Mei dort draußen ist und wir nicht wissen, was zerbrechen wird, muss ich mitkommen.«
    »Prax«, sagte Cassandra. Nein, Naomi. Vielleicht war sein Kopf doch noch nicht ganz in Ordnung.
    »Strickland und diese Frau können das Kind nicht beschützen, selbst wenn sie es glauben«, beharrte Prax. »Verstehen Sie das nicht? Selbst wenn sie dem Kind nichts antun, selbst dann wird ringsherum alles zusammenbrechen. Was ist, wenn ihnen die Luft ausgeht? Wenn sie nicht verstehen, was los ist?«
    »Ich weiß, wie schwer das ist, aber es nützt nichts, wenn Sie schreien.«
    »Ich schreie nicht. Ich schreie nicht. Ich sage Ihnen nur, dass sie mein kleines Mädchen verschleppt haben, und jetzt muss ich los und es holen. Ich muss dabei sein, wenn Sie die Tür öffnen. Selbst wenn Mei nicht da ist. Und wenn sie tot ist, muss ich derjenige sein, der sie findet.«
    Mit einem scharfen, geübten und seltsamerweise schönen Geräusch glitt das Magazin in die Pistole. Prax hatte nicht bemerkt, dass Amos sie aus der Schachtel genommen hatte, doch der große Mann hielt das schwarze Metall wieder in der Hand. Zwischen seinen Fingern wirkte die Waffe winzig. Amos beförderte eine Patrone in die Kammer, fasste die Waffe am Lauf, wobei er darauf achtete, dass sie auf die Wand zielte, und hielt sie Prax hin.
    »Aber ich dachte …«, stammelte er. »Sie sagten doch, ich …«
    Amos streckte den Arm noch ein paar Zentimeter weiter aus. Die Geste war unmissverständlich. Nimm sie. Prax nahm die Waffe. Sie war schwerer als erwartet.
    »Äh, Amos?«, schaltete sich Holden ein. »Hast du ihm gerade eine geladene Waffe gegeben?«
    »Der Doc muss mitkommen, Käpt’n«, sagte Amos achselzuckend. »Also dachte ich, er muss auch richtig ausgerüstet sein.«
    Prax bemerkte den Blick, den Holden und Naomi wechselten.
    Naomi wählte ihre Worte mit Bedacht. »Wir müssen uns über unsere Entscheidungsfindungsprozesse unterhalten, Amos.«
    »Alles klar«, stimmte Amos zu. »Sobald wir wieder hier sind.«
    Wochenlang war Prax durch die Station gelaufen. Ein Flüchtling, der kein Ziel für seine Flucht fand. Er hatte sich an den Anblick der Gänge gewöhnt, an die Menschen, die ihn kurz musterten, ob er nicht etwa versuchen würde, ihnen seine Last aufzubürden. Jetzt war Prax satt und bewaffnet und gehörte zu einer Gruppe, und die Station sah anders aus. Immer noch musterten die Menschen sie, doch die Angst hatte sich verändert und kämpfte mit dem Hunger. Holden und Amos hatten weder die graue Haut der Unterernährten noch den gehetzten Blick von Menschen, deren Welt gerade zusammenbrach. Naomi war im Schiff und hackte sich in das Überwachungsnetz ein, um die drei Männer zu koordinieren, falls sie getrennt wurden.
    Zum ersten Mal im Leben fühlte Prax sich wie ein Außenseiter. Er betrachtete seine Heimatstadt und sah das Gleiche wie Holden: eine riesige Halle, das Eis war bis hoch hinauf bemalt und gefärbt. Die untere Hälfte, die Passanten gefahrlos berühren konnten, war mit dickem Isoliermaterial verkleidet. Schon bei einem kurzen Kontakt konnte Ganymeds Eis einem Menschen die Haut von den Knochen reißen. Im Gang war es ungewöhnlich dunkel, da die Scheinwerfer ausgefallen waren. Ein breiterer Korridor, durch den Prax früher jeden Tag zur Schule gegangen war, hatte sich in eine düstere Kammer verwandelt, in der das Wasser tropfte, weil die Klimaanlage versagte. Die Pflanzen waren schon tot oder beinahe abgestorben, und die Luft schmeckte schal und schnürte einem die Kehle zu. Wahrscheinlich würden bald die Notrecycler anspringen. Hoffentlich bald. Hoffentlich funktionierten sie noch.
    Holden hatte recht. Die verzweifelten Menschen mit den schmalen Gesichtern waren Lebensmitteltechniker, Agrarwissenschaftler, Experten für Gasaustausch und landwirtschaftliche Hilfskräfte gewesen. Wenn Ganymed starb, würde die Kaskade allerdings nicht aufhören. Wenn das letzte Schiff mit Lebensmitteln gestartet war, mussten der Gürtel, das Jupiter-System und die vielen dauerhaften Stationen, die auf eigenen Umlaufbahnen die Sonne umkreisten, einen anderen Weg finden, um Vitamine und Spurenelemente für die Kinder zu beschaffen. Prax fragte sich, ob sich die weiter draußen liegenden Stützpunkte überhaupt selbst erhalten konnten. Wenn sie große Hydroponikanlagen und Hefefarmen besaßen und alles gut ging …
    Es war eine Ablenkung. Etwas, über das er grübeln konnte, um nicht an das zu

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