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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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es ihr egal war.
    »Aber«, sie warf die Tagesordnung auf den Tisch, worauf ein Mann in einem braunen Anzug zurückzuckte, als könnte er sich mit dem anstecken, was Bobbie befallen hatte, »was ist mit dem verdammten Monster?«
    Ehe sie fortfahren konnte, sprang Thorsson auf.
    »Entschuldigen Sie mich einen Moment, meine Damen und Herren. Sergeant Draper leidet unter posttraumatischem Stress und braucht ihre Behandlung.«
    Er packte sie am Ellenbogen und bugsierte sie aus dem Raum. Hinter ihnen erhob sich Gemurmel. Thorsson blieb im Vorraum stehen und wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte.
    »Sie«, sagte er und stieß sie zu einem Stuhl. Normalerweise hätte sie der dürre Abwehroffizier nicht so herumstoßen können, aber aus ihren Beinen war jegliche Kraft gewichen, und sie ließ sich auf den Stuhl sinken.
    »Sie«, sagte er noch einmal. Dann sprach er ins Terminal. »Kommen Sie sofort herunter.«
    »Sie«, sagte er zum dritten Mal und deutete auf Bobbie. Dann schritt er vor ihrem Stuhl hin und her.
    Ein paar Minuten später trabte Captain Martens in die Lobby des Konferenzraums. Als er Bobbie zusammengesunken auf dem Stuhl hocken sah und Thorssons wütende Miene bemerkte, hielt er abrupt an.
    »Was …«, setzte er an. Thorsson fiel ihm ins Wort.
    »Das ist Ihre Schuld«, beschuldigte er Martens. Dann fuhr er zu Bobbie herum. »Und Sie, Sergeant, haben gerade bewiesen, dass es ein Riesenfehler war, Sie mitzunehmen. Jeden Vorteil, den man hätte daraus gewinnen können, dass Sie die einzige Augenzeugin sind, haben Sie durch … durch Ihre idiotische Tirade zunichtegemacht.«
    »Aber Sergeant Draper …«
    Auch dieses Mal ließ Thorsson den Seelsorger nicht ausreden, sondern stupste ihn mit einem Finger auf die Brust. »Sie sagten, Sie könnten sie kontrollieren.«
    Martens schenkte Thorsson ein trauriges Lächeln.
    »Nein, das habe ich nie behauptet. Ich sagte lediglich, ich könnte ihr helfen, wenn ich genug Zeit habe.«
    »Egal.« Thorsson wedelte geringschätzig mit der Hand. »Sie fliegen beide mit dem nächsten Schiff zum Mars, wo Sie sich vor dem Disziplinarausschuss verantworten werden. Verschwinden Sie jetzt.«
    Er drehte sich auf dem Absatz um und kehrte ins Konferenzzimmer zurück. Die Tür zog er gerade so weit auf, dass er seinen schmalen Körper hindurchschieben konnte.
    Martens setzte sich neben Bobbie auf einen Stuhl und schnaufte.
    »Was ist denn hier passiert?«, fragte er.
    »Habe ich gerade meine Karriere vernichtet?«, fragte sie.
    »Kann sein. Wie fühlen Sie sich?«
    »Ich fühle mich …« Eigentlich wollte sie unbedingt mit Martens reden, und gerade das machte sie sehr wütend. »Ich habe das Gefühl, ich brauche etwas frische Luft.«
    Bevor Martens protestieren konnte, stand Bobbie auf und ging zum Aufzug.
    Der UN-Komplex war eine Stadt für sich. Sie brauchte mehr als eine Stunde, um überhaupt einen Ausgang zu finden. Wie ein Geist irrte sie durch das Chaos und die Machtzentrale der Regierung. Auf den langen Fluren eilten Menschen an ihr vorbei, manche standen in Gruppen beisammen und redeten aufgeregt miteinander, manche sprachen in ihre Handterminals. In Olympia, wo sich das marsianische Kongressgebäude befand, war Bobbie noch nie gewesen. Auf dem Regierungskanal hatte sie manchmal ein paar Minuten einer Sitzung verfolgt, wenn über etwas debattiert wurde, das sie interessierte, aber verglichen mit dem Getriebe hier im UN-Viertel wirkte der Mars fast verschlafen. Die Menschen in diesem Gebäude regierten dreißig Milliarden Bürger und Hunderte Millionen Kolonisten. Im Vergleich dazu wirkten die vier Milliarden auf dem Mars wie die tiefste Provinz.
    Auf dem Mars herrschte die Ansicht vor, die Zivilisation auf der Erde sei im Niedergang begriffen. Faule, verhätschelte Bürger lebten von den Zuwendungen der Regierung. Fette, korrupte Politiker bereicherten sich auf Kosten der Kolonien. Eine verfallende Infrastruktur verwendete bis zu dreißig Prozent ihrer Leistungsfähigkeit für Recyclingsysteme, damit die Bevölkerung nicht an ihrem eigenen Dreck erstickte. Auf dem Mars gab es im Grunde keine Arbeitslosigkeit. Die ganze Bevölkerung war direkt oder indirekt an der größten Ingenieurleistung der Menschheitsgeschichte beteiligt: das Terraforming eines ganzen Planeten. So hatte jeder Einzelne ein Ziel, und alle verfolgten eine gemeinsame Vision der Zukunft. Ganz anders die Erder, die nur die Wartezeit bis zur nächsten Auszahlung der Regierung totschlugen und über den

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