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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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nichts mit den Söldnern zu tun.
    »In Ordnung«, willigte Holden ein. »Wir haben versucht, mit den örtlichen Sicherheitskräften zu reden, aber die verraten uns nicht mal, wie spät es ist. Folgen Sie mir, unterstützen Sie uns, und ich verspreche Ihnen, dass wir Sie von Ganymed wegbringen.«
    Wendell grinste. Er hatte sich einen Schneidezahn mit einer kleinen roten Gravur verzieren lassen.
    »Was immer Sie sagen, Boss«, erklärte er. Dann hob er die Waffe. »Formiert euch! Wir haben einen neuen Kontrakt, Leute. Lasst es uns anpacken.«
    Ringsherum jubelten seine Untergebenen. Auf einmal stand die dünne Frau neben Prax und schüttelte ihm grinsend die Hand, als wollte sie sich um ein öffentliches Amt bewerben. Prax blinzelte und erwiderte das Lächeln, und Amos legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Sehen Sie? Ich hab’s doch gleich gesagt. Los jetzt, wir gehen.«
    Der Gang war dunkler, als es auf dem Video den Anschein gehabt hatte. Im schmelzenden Eis zeichneten sich dünne Rinnen wie bleiche Venen ab, doch der Reif, der sie überzog, war frisch. Die Tür sah aus wie Hunderte anderer Türen, an denen sie vorbeigekommen waren. Prax schluckte schwer. Ihm tat der Bauch weh. Er wollte schreien, er wollte Mei rufen und hören, wie sie den Ruf erwiderte.
    »In Ordnung«, flüsterte Naomi im Ohrhörer. »Ich habe die Verriegelung abgeschaltet. Ihr müsst mir nur Bescheid sagen.«
    »Wir sind bereit«, gab Holden zurück. »Öffne für uns.«
    Die Dichtungen zischten.
    Die Tür ging auf.

15 Bobbie
    Nach drei Stunden hatten sich die Teilnehmer des ersten Gipfeltreffens der marsianischen und irdischen Diplomaten gerade erst bis zu den Vorstellungen aller Beteiligten und dem Verlesen der Tagesordnung vorgearbeitet. Ein gedrungener Erder in einem anthrazitfarbenen Anzug, der wahrscheinlich mehr gekostet hatte als Bobbies ganze Kampfmontur, erläuterte Abschnitt fünfzehn, Unterabschnitt D, Punkte eins bis elf, in denen die Auswirkungen der vorherigen Feindseligkeiten auf die Gebrauchsgüterpreise laut bestehender Handelsabkommen erörtert werden sollten. Bobbie sah sich um. Alle anderen an dem langen Eichentisch starrten hingerissen den Vorleser an. Sie unterdrückte ein gewaltiges Gähnen, das unbedingt herauswollte.
    Dann lenkte sie sich damit ab, die Vertreter der Parteien am Konferenztisch einzuschätzen. Vorher hatte man sie alle mit Namen und Titeln vorgestellt, aber das bedeutete nicht viel. Die Anwesenden waren stellvertretende Sekretäre, Untersekretäre oder Direktoren in irgendeinem Bereich. Sogar ein paar Generäle saßen am Konferenztisch, doch Bobbie kannte die Politik gut genug, um zu wissen, dass die Militärvertreter die unwichtigsten Teilnehmer waren. Die Menschen mit echter Macht waren die Zurückhaltenden mit den unauffälligen Titeln. Davon gab es gleich mehrere, darunter einen Mann mit einem Gesicht wie ein Vollmond und einem dünnen Schlips, den man ebenfalls als Sekretär von irgendetwas vorgestellt hatte. Neben ihm saß die Großmutter von irgendjemandem, die einen hellen Sari trug. Ein gelber Farbklecks inmitten der dunkelbraunen, dunkelblauen und grauen Kleidung. Sie saß nur da, mampfte Pistazien und lächelte wie eine Sphinx. Bobbie fragte sich ein paar Minuten lang, ob Mondgesicht oder Oma die wahren Anführer waren.
    Sie spielte mit dem Gedanken, sich aus einer der Kristallkaraffen, die gleichmäßig auf dem Tisch verteilt waren, ein Glas Wasser einzuschenken. Eigentlich war sie nicht durstig, aber bis sie das Glas herumgedreht, Wasser hineingekippt und getrunken hätte, wäre eine weitere Minute verstrichen, vielleicht sogar zwei. Bisher hatte jedoch noch niemand zum Wasser gegriffen. Vielleicht warteten alle darauf, dass irgendjemand den Anfang machte.
    »Wir wollen eine kurze Pause einlegen«, erklärte der Mann im anthrazitfarbenen Anzug. »Zehn Minuten. Danach können wir Abschnitt fünfzehn der Tagesordnung durchgehen.«
    Die Teilnehmer standen auf und wanderten zu den Toiletten oder in die Raucherecken. Oma trug ihre Handtasche zu einem Recycler und entsorgte die Pistazienschalen. Mondgesicht zückte sein Terminal und rief jemanden an.
    »Jesus.« Bobbie rieb sich mit den Handrücken die Augen, bis sie Sternchen sah.
    »Gibt es ein Problem, Sergeant?« Thorsson lehnte sich grinsend auf seinem Stuhl zurück. »Setzt Ihnen die Schwerkraft zu?«
    »Nein«, antwortete Bobbie. »Das heißt, sie setzt mir schon zu, aber vor allem habe ich Lust, mir einen Stift ins Auge zu stechen, nur

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