Calibans Krieg
denken, was sie hinter der Tür erwarten mochte. Er begrüßte diese Gedanken.
»Ihr da, bleibt stehen!«
Die Stimme war leise und heiser und klang belegt, als hätte man dem Mann die Stimmbänder herausgerissen und durch den Schlamm gezogen. Er stand mitten auf einer Kreuzung zweier Eistunnel. Der Körperpanzer der Militärpolizei war ihm zwei Nummern zu klein. Dem Akzent und dem Körperbau nach war er ein Marsianer.
Amos und Holden blieben stehen und betrachteten alles Mögliche, nur nicht den Mann vor ihnen. Verdeckt schlichen sich weitere Männer an. Für Prax schmeckte die Panik wie Kupfer.
»Ich zähle sechs«, sagte Holden.
»Was ist mit dem Kerl mit den grauen Hosen?«, fragte Amos.
»Na gut, vielleicht sieben. Allerdings beschattet er uns, seit wir das Schiff verlassen haben. Vielleicht gehört er nicht zu ihnen.«
»Sechs sind immer noch mehr als drei«, warnte Naomi über die Kopfhörer. »Soll ich Verstärkung schicken?«
»Verdammt, haben wir denn Verstärkung?«, fragte Amos. »Soll ich Supitayaporn rufen, damit er sie zu Tode quasselt?«
»Die schaffen wir.« Prax griff nach der Pistole in der Tasche. »Wir können uns doch nicht von …«
Amos legte die breite Hand auf Prax’ Arm und sorgte dafür, dass die Pistole außer Sicht in der Tasche blieb.
»Das sind keine Leute, auf die man schießt«, ermahnte Amos ihn. »Das sind Leute, mit denen man redet.«
Holden ging auf den Marsianer zu. Er bewegte sich gelassen, und das Sturmgewehr auf seiner Schulter wirkte fast unschuldig. Trotz des teuren Körperpanzers war Holdens Lächeln völlig natürlich.
»Hallo«, sagte Holden. »Gibt es ein Problem, Sir?«
»Vielleicht«, leierte der Marsianer. »Vielleicht auch nicht. Das liegt ganz an Ihnen.«
»Ich entscheide mich für kein Problem«, antwortete Holden. »Hören Sie, wenn Sie uns jetzt entschuldigen wollen, wir möchten nur …«
»Immer mit der Ruhe.« Der Marsianer kam etwas näher. Sein Gesicht erinnerte Prax an jemanden, den er schon einmal im Video gesehen und bald wieder vergessen hatte. »Sie sind nicht von hier.«
»Ich schon«, warf Prax ein. »Ich bin Dr. Praxidike Meng, Chef botaniker beim Sojafarmprojekt von RMD-Southern. Wer sind Sie?«
»Lassen Sie das den Käpt’n erledigen«, sagte Amos.
»Aber …«
»Er kann das ziemlich gut.«
»Ich nehme an, Sie gehören zu den Hilfstruppen«, meinte der Marsianer. »Es ist ein weiter Weg bis zu den Docks. Anscheinend haben Sie sich verlaufen. Vielleicht brauchen Sie eine Eskorte bis in die sicheren Bereiche.«
Holden verlagerte sein Gewicht, das Sturmgewehr rutschte ein Stückchen nach vorn, ohne provozierend zu wirken.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Holden. »Wir sind ganz gut geschützt. Ich glaube, wir können auch selbst auf uns aufpassen. Welche Gebühren würdet ihr denn für den, äh, Begleitschutz verlangen?«
»Na ja, ihr seid drei. Sagen wir einhundert in marsianischer oder fünf in der lokalen Währung.«
»Wie wäre es, wenn ihr uns einfach folgt, und ich sorge dafür, dass ihr von dieser Eiskugel herunterkommt?«
Der Marsianer riss den Mund auf.
»Das ist nicht witzig.« Die Maske, die Macht und Selbstvertrauen zeigen sollte, verrutschte ein wenig. Prax erkannte den Hunger und die Verzweiflung dahinter.
»Ich will in ein altes Tunnelsystem«, erklärte Holden. »Bevor es hier losging, hat jemand einen Haufen Kinder verschleppt und dorthin gebracht. Das Kind des Docs war eines davon. Wir holen die Kleine zurück und fragen höflich, woher die Leute wussten, was kommen würde. Vielleicht stoßen wir auf Widerstand. Ich könnte ein paar Leute brauchen, die wissen, welches Ende einer Waffe nach vorne zielen muss.«
»Verarsch mich nicht«, sagte der Marsianer. Aus dem Augenwinkel sah Prax eine Frau, die vortrat. Sie war dünn und trug einen billigen Schutzanzug.
»Wir sind von der AAP«, erklärte Amos und nickte in Holdens Richtung. »Er ist James Holden von der Rosinante .«
»Heiliger Strohsack«, sagte der Marsianer. »Stimmt, Sie sind Holden.«
»Das liegt am Bart«, erklärte Holden.
»Ich bin Wendell. Bevor die Drecksäcke einfach abgehauen sind und uns hier zurückgelassen haben, waren wir bei Pinkwater Security beschäftigt. Wie ich es sehe, ist unser Kontrakt hinfällig. Wenn Sie ein paar professionelle Kämpfer brauchen, finden Sie keine besseren als uns.«
»Wie viele seid ihr?«
»Sechs, mich eingeschlossen.«
Holden blickte zu Amos, der mit den Achseln zuckte. Also hatte der andere Mann
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