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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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hinterließ. Als Holden sich herumdrehte und das Sturmgewehr darauf richtete, war es doch nur ein Blutfleck unterhalb einer verfärbten Eisfläche.
    Amos kam zu ihm, das breite Gesicht zu einer sorgenvollen Miene verzogen. Holden wehrte winkend ab, stellte den Gewehrkolben auf den Boden und lehnte sich an eine Kiste, um durchzuatmen.
    »Wir sollten uns zurückziehen«, sagte Wendell. Er und Paula stützten den Mann mit dem Bauchschuss. Der Verletzte konnte kaum noch atmen. Vor dem linken Nasenloch stand eine kleine blutige Blase, die bei jedem abgerissenen Atemzug des Mannes anschwoll und schrumpfte.
    »Jim?«, sagte Naomi leise in seinem Ohr. »Jim, ich habe es durch Amos’ Anzugkamera gesehen und weiß, was es bedeutet. Ich mache das Schiff startklar. Der verschlüsselte Datenverkehr ist abgebrochen. Ich glaube, sie sind alle weg.«
    »Sie sind alle weg«, wiederholte Holden.
    Die Angehörigen des geschrumpften Pinkwater-Teams starrten ihn an. Die Sorge in den Gesichtern wich der Angst. Seine Angst steckte sie an, auch wenn sie keine Ahnung hatten, was das Geflecht bedeutete. Sie wollten, dass er etwas tat, so viel war ihm klar. Er wusste nur nicht recht, was er eigentlich tun sollte. Die schwarzen Fasern erfüllten seinen Kopf, dazwischen blitzten Bilder viel zu schnell auf, um verständlich zu sein, als liefe ein Video im Zeitraffer ab: Julie Mao in der Dusche, von schwarzen Fäden umgeben, der Körper albtraumhaft verändert; die Leichen, die im Strahlenschutzraum am Boden lagen; die Infizierten, die in Eros wie Zombies aus den Röhrenbahnen stiegen und braune Soße auf alles in der Nähe erbrachen, wobei für jeden Getroffenen auch der kleinste Tropfen ein Todesurteil darstellte; Videofilme der Horrorshow, in die Eros sich verwandelt hatte; ein bis auf den Brustkorb reduzierter Rumpf, der sich mit einem verbliebenen Arm durch die vom Protomolekül veränderte Landschaft schleppte, um einen unbekannten Auftrag zu erfüllen.
    »Käpt’n«, sagte Amos. Er berührte Holdens Arm. Holden entzog sich mit einem Ruck und wäre dabei fast gestürzt.
    Er schluckte den bitteren Speichel herunter, der sich in der Kehle sammelte. »Na gut. Ich bin da. Lasst uns gehen. Naomi, ruf Alex. Wir brauchen die Rosinante .«
    Naomi zögerte einen Moment, ehe sie antwortete. »Was ist mit der Blockade …«
    »Mach es, Naomi!«, rief Holden. »Mach es doch einfach! Ruf Alex!«
    Dieses Mal antwortete sie nicht, doch der Mann mit dem Bauchschuss atmete noch einmal bebend ein und brach zusammen. Den verwundeten Wendell hätte er beinahe mit zu Boden gerissen.
    »Wir müssen gehen«, sagte Holden zu Wendell und meinte damit: Wir können ihm nicht helfen. Wenn wir bleiben, müssen wir alle sterben. Wendell nickte, kniete jedoch nieder und zog dem Mann die leichte Rüstung aus, als hätte er es nicht verstanden. Amos nahm den Verbandkasten von seiner Rüstung und hockte sich neben Wendell, um dem Verwundeten zu helfen, während Paula mit bleichem Gesicht zusah.
    »Wir müssen gehen«, sagte Holden noch einmal. Am liebsten hätte er Amos gepackt und geschüttelt, um es ihm begreiflich zu machen. »Amos, hör auf. Wir müssen sofort gehen. Eros …«
    »Käpt’n«, fiel Amos ihm ins Wort, »bei allem Respekt, das hier ist nicht Eros.« Er nahm eine Spritze aus dem Verbandkasten und verpasste dem Verletzten eine Injektion. »Hier gibt es keine Strahlenschutzräume und keine kotzenden Zombies. Nur diese kaputte Kiste, eine Menge tote Typen und die schwarzen Fäden. Wir wissen nicht, was es ist, aber Eros ist es jedenfalls nicht, und wir werden den Mann hier nicht zurücklassen.«
    Der kleine rationale Teil in Holdens Kopf, der noch funktionierte, gab Amos recht. Der Mensch, für den Holden sich immer noch hielt, hätte sowieso niemanden zurückgelassen, nicht einmal einen völlig Fremden, ganz zu schweigen von einem Mann, der seinetwegen verletzt worden war. Er riss sich zusammen und holte dreimal tief Luft. Prax kniete jetzt neben Amos und hielt den Verbandkasten.
    »Naomi«, sagte Holden. Er wollte sich entschuldigen, weil er sie angebrüllt hatte.
    »Alex ist unterwegs.« Ihre Stimme klang gepresst, aber sie machte ihm keine Vorwürfe. »Es wird ein paar Stunden dauern. Es wird nicht leicht, die Blockade zu umgehen, aber er glaubt, er schafft es. Wo soll er landen?«
    Holden antwortete, ehe ihm überhaupt bewusst wurde, dass er eine Entscheidung getroffen hatte. »Lass ihn am Anlegeplatz der Somnambulist landen. Ich schenke das Schiff

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