Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
Vom Netzwerk:
seiner Familie auf der Erde vorgestellt. Nicht dass sie selbst jemals zur Erde fliegen konnte. Aber er hätte seine Familie nach Luna kommen lassen können, damit sie sich dort treffen konnten. Vater Tom hätte sich natürlich gesträubt. Er reiste nicht gern. Aber Holden bezweifelte nicht, dass sie letzten Endes doch alle zugesagt hätten, um Naomi kennenzulernen, wenn er ihnen nur erklärt hätte, wie wichtig sie ihm jetzt war.
    Die Begegnung mit Prax, der unbedingt seine Tochter finden musste, hatte Holden vor Augen geführt, wie dringend er dieses Gefühl für sich selbst entdecken wollte. Diese Sehnsucht nach einem anderen Menschen. Seinen Eltern die nächste Generation der Familie vorstellen. Ihnen zeigen, dass all die Mühen und die Kraft, die sie in ihn gesteckt hatten, sich letztlich auszahlen würden. Dass er der Welt etwas hinterließ. Fast mehr als alles andere bisher in seinem Leben wollte er ihre Gesichter sehen, wenn er ihnen ein Kind zeigte. Sein Kind. Naomis Kind.
    Fred hatte ihm das weggenommen und ihn als Knochenbrecher der AAP eingesetzt. Jetzt dieser Verrat. Holden schwor sich, Fred dafür büßen zu lassen, wenn er es schaffte, von Ganymed zu fliehen.
    Amos ließ die Gruppe wieder anhalten, und Holden bemerkte, dass sie bereits den Hafen erreicht hatten. Er riss sich aus seinen Tagträumen. Er wusste gar nicht mehr, wie sie überhaupt hergekommen waren.
    »Sieht sauber aus«, meinte Amos.
    »Naomi«, sagte Holden. »Wie ist die Lage am Schiff?«
    »Hier ist alles ruhig, aber Alex macht sich Sorgen, dass …«
    Ihre Antwort wurde von einem elektronischen Kreischen unterbrochen.
    »Naomi? Naomi?«, rief Holden. Er bekam keine Antwort. Dann sagte er zu Amos: »Los, so schnell wie möglich zum Schiff!«
    Amos und die Leute von Pinkwater rannten so schnell, wie sie es mit ihren Verletzungen und dem verwundeten Gefährten vermochten, zum Raumhafen. Holden übernahm die Nachhut und entsicherte im Laufen das Sturmgewehr, das er sich über die Schulter geschlungen hatte.
    Sie rannten durch die gewundenen Korridore des Hafenviertels. Amos verscheuchte die Fußgänger mit lauten Rufen und dem drohend gehobenen Gewehr. Eine alte Frau, die einen Hidschab trug, floh vor ihnen wie ein Laubblatt vor dem Sturm. Sie war schon tot. Wenn das Protomolekül hier freigesetzt worden war, dann waren alle Menschen, denen Holden begegnete, so gut wie tot: Santichai und Melissa Supitayaporn und all die anderen, die sie auf Ganymed hatten retten wollen. Ebenso die Aufständischen und die Mörder, die vor dem Zusammenbruch der Gesellschaft und des Ökosystems normale Bürger der Station gewesen waren. Wenn das Protomolekül unterwegs war, bestand für sie keine Hoffnung mehr.
    Aber warum war es noch nicht passiert?
    Holden schob den Gedanken beiseite. Später – sofern es ein Später gab – konnte er sich darüber immer noch Gedanken machen. Irgendjemand rief Amos etwas zu, worauf dieser einen Schuss in die Decke abgab. Falls abgesehen von den Geiern, die von jeder gelöschten Ladung einen Anteil abstauben wollten, überhaupt noch Sicherheitskräfte im Raumhafen existierten, so ließen sie sich nicht blicken.
    Die äußere Schleusentür der Somnambulist war geschlossen, als sie eintrafen.
    »Naomi, bist du da?«, fragte Holden und suchte in seinen Taschen nach der Zugangskarte mit dem Magnetstreifen. Sie antwortete nicht, und er brauchte einen Moment, um sich daran zu erinnern, dass er Wendell die Karte überlassen hatte. »Wendell, öffnen Sie für uns die Tür.«
    Der Anführer der Pinkwater-Söldner antwortete nicht.
    »Wendell …«, setzte Holden an. Er unterbrach sich, als er bemerkte, dass Wendell mit großen Augen an ihm vorbeistarrte. Holden drehte sich um und entdeckte fünf Männer – allesamt Erder – in schlichten grauen Rüstungen ohne Abzeichen. Alle waren mit großen Schusswaffen ausgerüstet.
    Nein, dachte Holden, hob die Waffe und zog sie von einer Seite zur anderen. Drei der fünf Männer gingen mit roten Blüten auf den Anzügen zu Boden. Der neue Holden jubelte, der alte blieb still. Es spielte keine Rolle, wer die Männer waren. Ob sie zu den Sicherheitskräften der Station oder zum Militär der inneren Planeten gehörten, ob sie nur versprengte Söldner der geheimen Basis waren, er hatte sie getötet, ehe sie ihn und seine Crew daran hindern konnten, den infizierten Mond zu verlassen.
    Er wusste nicht, wer den Schuss abfeuerte, der sein Bein traf. In einem Moment stand er aufrecht und leerte das

Weitere Kostenlose Bücher