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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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stärkere Schwerkraft der Erde nicht kompensieren. Sie schaffte es zwar, einen Schädelbruch zu vermeiden, quetschte sich dabei aber zwei Finger der rechten Hand.
    Sie fluchte noch lauter und kämpfte sich weiter über den Boden zum schimmernden Terminal. Als sie es endlich erreicht hatte, nahm sie den Ruf an und sagte: »Wenn jemand noch nicht tot ist, wird er es bald sein.«
    »Bobbie«, sagte der Anrufer. Ihr benommener Kopf brauchte einen Augenblick, um die Stimme einzuordnen. Soren. Sie blickte auf die Zeitanzeige des Handterminals. Es war 0411 Uhr. Sie fragte sich, ob er betrunken war und sie anrief, um sie zurechtzuweisen, oder ob er sich entschuldigen wollte. Das wäre sicherlich nicht das Seltsamste gewesen, was ihr in den letzten vierundzwanzig Stunden widerfahren war.
    Als ihr bewusst wurde, dass er die ganze Zeit geredet hatte, hielt sie sich das Gerät wieder ans Ohr. »… erwartet Sie umgehend, also kommen Sie runter«, sagte Soren.
    »Könnten Sie das wiederholen?«
    Er sprach langsamer, als hätte er es mit einem zurückgebliebenen Kind zu tun. »Die Chefin erwartet Sie im Büro. Sie sollen sofort kommen.«
    Wieder blickte Bobbie auf die Zeitanzeige. »Jetzt sofort?«
    »Nein«, sagte Soren. »Morgen zur gewohnten Zeit. Sie bat mich nur, Sie morgens um vier anzurufen, damit Sie auch bestimmt erscheinen.«
    Die Verärgerung half ihr beim Aufwachen. Bobbie hörte lange genug auf, mit den Zähnen zu knirschen, um ihm zu antworten. »Sagen Sie ihr, dass ich gleich da bin.«
    Sie tastete sich zu einer Wand, dann zu einer Schalttafel, die unter ihrer Berührung aufleuchtete. Eine zweite Berührung schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Avasarala hatte ihr in der Nähe des Büros ein kleines möbliertes Apartment besorgt. Es war nicht viel größer als ein billiges Wohnloch auf Ceres. Ein großer Raum, der zugleich als Wohn- und Schlafzimmer diente, ein kleinerer Raum mit Dusche und Toilette, ein noch kleinerer Raum, der so tat, als sei er eine Küche. Bobbies Seesack lag in einer Ecke. Ein paar Sachen hatte sie herausgenommen, der größte Teil steckte noch darin. Sie hatte bis ein Uhr nachts gelesen, die Körperpflege aufs Zähneputzen beschränkt und war danach einfach aufs Bett gefallen, das von der Decke herabgelassen werden konnte.
    Als sie sich umsah und langsam wach wurde, hatte Bobbie einen absolut klaren Moment. Es war, als hätte man ihr eine Sonnenbrille abgenommen, von deren Existenz sie noch gar nichts gewusst hatte, sodass sie blinzelnd im hellen Licht stand. Sie stieg nach gerade mal drei Stunden Schlaf aus dem Bett, um sich mit einer der mächtigsten Frauen im Sonnensystem zu treffen, und ihre einzige Sorge war, dass sie ihr Quartier nicht makellos in Ordnung hielt und dass sie einen Mitarbeiter dieser Frau mit dem Schreibtischset aus Messing zu Tode prügeln wollte. Oh, und außerdem hatte sie die Laufbahn bei der Raummarine aufgegeben und arbeitete nun für den schlimmsten Feind ihrer Regierung, weil ein Offizier des Nachrichtendienstes sie mies behandelt hatte. Außerdem wollte sie nach Ganymed zurückkehren und jemanden töten, auch wenn sie nicht die geringste Ahnung hatte, wer es war.
    Die kristallklare Vision ihres weitgehend aus den Fugen geratenen Lebens hielt ein paar Sekunden an, dann gewannen die Nebelschleier und der Schlafmangel die Oberhand, und ihr blieb nur das unbehagliche Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben.
    Sie zog die Uniform an, die sie schon am vergangenen Tag getragen hatte, spülte sich den Mund aus und ging.
    Avasaralas bescheidenes Büro war voller Menschen. Bobbie entdeckte mindestens drei Zivilisten, die am ersten Treffen auf der Erde teilgenommen hatten. Einer war der Mann mit dem Mondgesicht. Inzwischen hatte sie erfahren, dass er Sadavir Errinwright hieß, Avasaralas Vorgesetzter war und vermutlich als zweitmächtigster Mann auf der Erde gelten durfte. Die beiden waren in eine angeregte Unterhaltung vertieft, als sie hereinkam. Avasarala bemerkte sie nicht sofort.
    Dann entdeckte Bobbie eine kleine Gruppe von Besuchern in Militäruniformen und bewegte sich automatisch in deren Richtung, bis ihr auffiel, dass es sich um Generäle und Admiräle handelte. Sie wechselte den Kurs und stand schließlich neben Soren, dem einzigen anderen Anwesenden, der allein war. Er würdigte sie keines Blickes. Seine Haltung strahlte einen beunruhigenden Charme aus, machtvoll und unaufrichtig zugleich. Ihr fiel ein, dass Soren der Typ war, mit dem sie möglicherweise ins

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