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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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bot, sich selbst neu zu erfinden, wie immer sie es wollte, und dass ihr – wenigstens für eine kurze Spanne – unendlich viele neue Wege offenstanden.
    Dieses Gefühl erfuhr nicht einmal einen Dämpfer, als sie darauf wartete, dass Avasarala ihre Anwesenheit endlich zur Kenntnis nahm.
    Während sie in Avasaralas Büro herumstand, verstärkte sich ihr Eindruck, dass die Bürosuite der Marsianer die Gäste beeindrucken sollte. Die Untergeneralsekretärin war wichtig genug, um Bobbie mit einem einzigen Anruf Thorsson zu entziehen und als Verbindungsoffizier für die UN einzusetzen. Trotzdem war ihr Büro mit einem billigen Teppich ausgelegt, der unangenehm nach schalem Tabakrauch roch. Der Schreibtisch war alt und abgenutzt. Hier gab es keine Kirschbaumholzstühle. Das Einzige, was nach liebevoller Pflege aussah, waren die Schnittblumen und der Buddha-Schrein.
    Avasarala strahlte Müdigkeit aus. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, die während der offiziellen Sitzungen und im schwachen Licht der Bar, als sie Bobbie ihr Angebot unterbreitet hatte, nicht zu erkennen gewesen waren. Wie sie da in einem hellblauen Sari hinter dem Schreibtisch saß, wirkte sie sehr zierlich. Wie ein Kind, das einen Erwachsenen spielte. Nur das graue Haar und die Krähenfüße zerstörten die Illusion. Auf einmal glaubte Bobbie, eine schrullige Puppe vor sich zu sehen, die sich beklagte, weil die Kinder ihr die Arme und Beine verdrehten und sie zwangen, Teestunden mit Stofftieren zu absolvieren. Ihr taten die Wangen weh, als sie das Grinsen unterdrückte.
    Avasarala tippte auf das Terminal auf dem Schreibtisch und grunzte gereizt. Für dich gibt es keinen Tee mehr, Omapuppe. Du hast schon genug gehabt. Wieder unterdrückte Bobbie ein Lachen. »Soren, Sie haben schon wieder meine verdammten Dateien verschoben. Ich kann die verdammten Dinger nicht mehr finden.«
    Der steife junge Mann, der Bobbie ins Büro geführt hatte und danach mehr oder weniger mit dem Hintergrund verschmolzen war, räusperte sich. Bobbie zuckte zusammen. Er stand viel dichter hinter ihr, als sie angenommen hatte.
    »Madam, Sie haben mich gebeten, einige der …«
    »Ja, ja«, unterbrach Avasarala ihn und tippte noch energischer auf den Bildschirm ein, als könne sie damit dem Gerät zu verstehen geben, was sie wollte. Unwillkürlich dachte Bobbie an die Menschen, die lauter redeten, sobald sie jemanden vor sich hatten, der ihre Sprache nicht gut beherrschte.
    »Ach, da sind sie ja.« Avasarala war immer noch gereizt. »Warum haben Sie die Dateien nicht …«
    Sie tippte einige Male darauf, dann zirpte Bobbies Terminal.
    »Das ist der Bericht einschließlich aller meiner Notizen über die Situation auf Ganymed«, erklärte die Politikerin. »Lesen Sie das heute noch. Vielleicht kommt später noch ein Update, nachdem ich einige höfliche Fragen gestellt habe.«
    Bobbie zückte ihr Terminal und überflog die Dokumente, die sie gerade empfangen hatte. Es waren Hunderte von Seiten. Soll ich das wirklich alles heute noch lesen?, fragte sie. Dann dachte sie: Hat sie mir wirklich gerade alles übergeben, was sie weiß? Vor diesem Hintergrund war die Behandlung, die sie in der letzten Zeit durch ihre eigene Regierung erfahren hatte, einfach empörend.
    »Dazu brauchen Sie nicht lange«, fuhr ihre neue Vorgesetzte fort. »Da steht fast nichts drin. Ein Haufen dummes Zeug von überbezahlten Beratern, die glauben, sie könnten die Tatsache, dass sie rein gar nichts wissen, dadurch vertuschen, dass sie doppelt so lange reden.«
    Bobbie nickte. Das Gefühl, überfordert zu sein, wetteiferte mit der Aufregung, ganz neue Aussichten zu haben.
    »Madam, ist Sergeant Draper freigegeben, um …«, wollte Soren einwenden.
    »Ja, ich habe ihr gerade die Sicherheitsfreigabe erteilt. Bobbie? Sie haben die Freigabe«, unterbrach Avasarala ihn. »Hören Sie auf, mir auf den Sack zu gehen, Soren. Ich habe keinen Tee mehr.«
    Bobbie musste sich beherrschen, um sich nicht umzudrehen und Soren anzusehen. Die Situation war so schon heikel genug, und nun hatte Avasarala ihn auch noch vor einer Fremden gedemütigt, die erst vor siebzehn Minuten ihre Stelle angetreten hatte.
    »Ja, Madam«, sagte Soren. »Ich habe mich nur gefragt, ob Sie nicht den Sicherheitsdienst über Ihre Entscheidung informieren sollten, Sergeant Draper die Freigabe zu erteilen. Die Leute möchten über so etwas gern im Bilde sein.«
    »Miau, miau, miau«, machte Avasarala. »Mehr habe ich gerade von Ihnen nicht

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