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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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dass ich übertrieben reagiert habe«, sagte er schließlich.
    »Oh?«, antwortete Bobbie. Unterdessen überlegte sie, woher sie noch einen Sojamilchtee bekommen konnte.
    Thorsson blickte zu ihr hoch und rang sich ein freundliches Lächeln ab, soweit es ihm sein mumifiziertes Gesicht erlaubte. »Eines will ich klarstellen. Es besteht kein Zweifel daran, dass Sie mit Ihrem Ausbruch unsere Glaubwürdigkeit beschädigt haben. Aber, wie Martens es ausdrückt, dies ist vor allem meine Schuld, weil ich das Ausmaß Ihrer Traumatisierung nicht richtig erkannt habe.«
    »Ah«, machte Bobbie. Hinter Thorsson hing ein gerahmtes Foto an der Wand. Es zeigte eine Stadt mit einem großen Metallturm, der an ein altmodisches Startgerüst für Raketen erinnerte. Darunter stand: PARIS.
    »Statt Sie nach Hause zu schicken, behalte ich Sie als Mitarbeiterin hier. Sie bekommen die Gelegenheit, den Schaden, den Sie angerichtet haben, wiedergutzumachen.«
    Zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatte, suchte sie Thorssons Blick. »Warum bin ich hier?«
    Thorssons mühsam herbeigezaubertes Lächeln verschwand und wich einem gleichermaßen zurückhaltenden Stirnrunzeln.
    »Verzeihung?«
    »Warum bin ich hier?«, wiederholte sie, während ihre Gedanken weit über den Disziplinarausschuss hinauswanderten. Es wäre schwierig, wieder nach Ganymed abgeordnet zu werden, wenn Thorsson sie nicht zum Mars schickte. Und wenn nicht, würde man ihr erlauben, einfach den Dienst zu quittieren? Musste sie das Corps verlassen und sich das Ticket selbst kaufen? Die Vorstellung, nicht länger Marinesoldatin zu sein, stimmte sie traurig. Das erste wirklich starke Gefühl, das sie seit einer ganzen Weile hatte.
    »Warum Sie hier …«, setzte Thorsson an. Bobbie fiel ihm ins Wort.
    »Anscheinend bin ich nicht hier, um über das Monster zu reden. Ehrlich gesagt, wenn ich nur Staffage bin, dann wäre es mir lieber, man würde mich nach Hause schicken. Es gibt einige Dinge, die ich tun könnte …«
    »Sie«, sagte Thorsson. Seine Stimme klang etwas angespannt. »Sie sind hier, um genau das tun, was ich Ihnen sage, und genau dann, wenn ich es Ihnen sage. Ist das klar, Soldat?«
    »Ja«, bestätigte Bobbie. Wieder strömte das Wasser an ihr vorbei. Sie war ein Stein. Es störte sie nicht. »Ich muss jetzt gehen.«
    Sie drehte sich um, ging hinaus und überließ es Thorsson nicht, das letzte Wort zu behalten. Als sie durch die Suite zum Ausgang schritt, sah sie Martens, der in der kleinen Kochnische Milchpulver in einen Becher Kaffee kippte. Er bemerkte sie im gleichen Moment.
    »Bobbie«, sagte er. Seit einigen Tagen ging er viel herzlicher mit ihr um. Normalerweise hätte sie angenommen, dass er romantische Gefühle oder sexuelle Begierden entwickelt hatte. Bei Martens war sie jedoch ziemlich sicher, dass es sich nur um ein weiteres Werkzeug aus seiner psychologischen Trickkiste handelte, die vor allem dazu diente, kaputte Marinesoldaten zu reparieren.
    »Captain.« Sie blieb stehen. Die Vordertür zog sie mit großer Kraft an, doch Martens hatte sie bisher immer gut behandelt, und sie hatte eine seltsame Vorahnung, dass sie diese Menschen nie mehr wiedersehen würde. Sie gab ihm die Hand, und als er einschlug, sagte sie: »Ich gehe weg. Sie müssen nicht mehr Ihre Zeit mit mir verschwenden.«
    Er schenkte ihr sein trauriges Lächeln. »Meiner Ansicht nach habe ich überhaupt nichts erreicht, und trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass es Zeitverschwendung war. Gehen wir denn als Freunde auseinander?«
    »Ich …«, setzte sie an. Sie schluckte, weil sie auf einmal einen Kloß im Hals hatte. »Ich hoffe, es hat Ihrer Karriere nicht geschadet.«
    »Darüber mache ich mir gar keine Sorgen«, entgegnete er, als sie schon weitergegangen war. Endlich trat sie durch die Tür. Sie drehte sich nicht um.
    Draußen auf dem Flur zückte Bobbie ihr Handterminal und wählte die Nummer, die Avasarala ihr gegeben hatte. Das System schaltete sofort auf Voicemail um.
    »In Ordnung«, sagte sie. »Ich nehme den Job.«
    Der erste Tag in ihrem neuen Job war befreiend und zugleich erschreckend. Bei jeder neuen Abordnung hatte Bobbie sich bisher überfordert gefühlt – sie sei nicht fähig, die Anforderungen zu erfüllen, die man an sie stellte, sie würde sich falsch kleiden oder etwas Falsches sagen, oder die Kollegen würden sie hassen. Doch ganz egal, wie stark dieses Gefühl war, es wurde immer überschattet durch die Vorfreude, weil ihr ein neuer Job auch die Gelegenheit

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