Caligula - Eine Biographie
erhoben, unter anderem, daß er behauptet habe, Caligula sei seiner Hände Werk und verdanke ihm das Kaisertum (Phil.
leg.
57f.). Die übrigen wurden aufgrund von Zeugenaussagen und den zuvor angeblich vernichteten alten Prozeßunterlagen verurteilt, weil sie gegen Mutter und Brüder des Kaisers und deren Anhänger vorgegangen seien. Anderen wurde ihr Verhalten während der Krankheit des Kaisers vorgeworfen. Der Zusammenhang deutet darauf hin, daß es vor allem die früheren Feinde der Germanicusfamilie waren, die – wie dies namentlich von Avillius Flaccus, der im Herbst 38 seine Stellung als Präfekt von Ägypten verlor, berichtet wird – sich Hoffnung auf die Nachfolge des Gemellus gemacht und vermutlich entsprechende Aktivitäten entfaltet hatten.
Dann war Silanus an der Reihe. Es reichte aus, daß der Kaiser ihm gegenüber im Senat öffentlich seine Ungnade zum Ausdruck brachte. Caligula veränderte die Verfahrensordnung, so daß fortan die ehemaligen Konsuln nach Anciennität zur Stimme gebeten wurden. Damit war Silanus’ Sonderstellung als erster des Senatorenstandes beendet. Nach den Erfahrungen der Herrschaft des Tiberius war klar, daß es nur kurze Zeit dauern würde, bis skrupellose Standesgenossen Anklagen gegen den von Caligula Entehrten erheben würden. Er zog daraufhin die Konsequenzen und nahm sich das Leben, was seiner Familie das Vermögen erhielt, das im Falle einer Verurteilung eingezogen worden wäre.
Gemessen an den moralischen Kategorien einer modernen Gesellschaft, in der politische Auseinandersetzungen und Machtkämpfe in der Regel gewaltfrei ablaufen, handelte es sich bei Caligulas Beseitigung der Personen, die ihm den Thron gesichert hatten, und vor allem bei der des jungen Gemellus zweifellos um verwerfliche Akte. Nach den Erfahrungen, die der junge Kaiser in seinem bisherigen Leben hatte machen müssen, dürfte er sich jedoch vor der Alternative gesehen haben: jene oder ich und meine Familie – eine Einschätzung, die auch aus einer heutigen Beurteilung der damaligen Situation kaum als falsch zu bezeichnen ist und die im übrigen auch von Zeitgenossen geteilt wurde. Philo, dem es in seinem Bericht darum geht, die unmoralische Handlungsweise Caligulas herauszustellen, zitiert ausführlich entsprechende Stimmen, die seiner eigenen Bewertung widersprechen:
«Solches sagte man im Hinblick auf seinen Vetter und Miterben: ‹Die höchste Regierungsgewalt ist eine unteilbare Sache. Das ist ein unumstößliches Naturgesetz. Gaius, der der Stärkere war, kam dem zuvor, was er sonst von einem Schwächeren erduldet hätte. Selbsterhaltung ist das, nicht Mord. Vielleicht ist sogar in weiser Voraussicht für das ganze Menschengeschlecht der Junge beseitigt worden. Denn Partei ergriffen die einen für diesen, die anderen für jenen, und daraus entstehen Unruhen, Bürgerkämpfe und auswärtige Kriege…› Zu Macros Schicksal hieß es: ‹Er wollte über Gebühr hoch hinaus… Was veranlaßte ihn, die Plätze zu tauschen und sich selbst, den Untertanen, zum Rang des Herrschers zu erheben, Gaius aber, den Kaiser, an die Stelle eines Untergebenen zu setzen? Was Macro tun wollte, ist des Prinzeps alleiniges Recht, nämlich zu befehlen, des Untertanen Pflicht aber zu gehorchen, was auf sich zu nehmen er von Gaius verlangte.›… Zum Fall Silanus meinte man: ‹Silanus benahm sich eines Narren würdig, wenn er glaubte, ein Schwiegervater hätte über seinen Schwiegersohn so viel Macht wie ein leiblicher Vater über seinen Sohn. Jener Dummkopf, der nicht einmal mehr Schwiegervater war, wollte sich in Dinge einmischen, die ihn nichts angingen, und wollte nicht einsehen, daß mit seiner Tochter Tod zugleich die durch die Heirat geknüpfte Verwandtschaft tot war.›» (Phil.
leg.
67–71)
Die Beseitigung des letzten Herrschaftskonkurrenten, derbeiden mächtigsten Männer in der engsten kaiserlichen Umgebung und alter Feinde der Germanicusfamilie war verbunden mit einer Reihe flankierender Maßnahmen, die die Schwierigkeit und Gefährlichkeit der Umbruchssituation deutlich machen. Kurz nach seiner Genesung von der Krankheit heiratete Caligula ein zweites Mal. Er dokumentierte damit den Vorsatz, eigene Nachkommen zu zeugen und so auf längere Sicht einer dynastischen Thronfolge den Weg zu bereiten. Seine Wahl fiel auf Livia Orestilla, die er in einem Willkürakt während der Hochzeit ihrem Bräutigam Gaius Calpurnius Piso entführt haben soll. Caligula selbst soll sich durch den Hinweis auf das Vorbild
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